Zuzahlungsbefreiung bei der Krankenkasse: Antrag und Umfang

Wer gesetzlich krankenversichert ist, muss für fast alle Leistungen der Krankenkasse Zuzahlungen leisten. Sie können sich jedoch von diesen Zuzahlungen befreien lassen – unter der Voraussetzung, dass Sie bestimmte Bedingungen erfüllen. Wann eine Zuzahlungsbefreiung möglich ist und wie Sie diese beantragen, erfahren Sie in diesem Ratgeber.

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Für fast alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung müssen die Versicherten aus eigener Tasche Zuzahlungen leisten. Hierzu gehören:

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  • verschreibungspflichtige Medikamente: 5 bis 10 Euro
  • medizinische Hilfsmittel wie häusliche Krankenpflege, Ergo- oder Physiotherapie: 10 Euro pro Verordnung plus 10 Prozent der Kosten
  • stationäre Behandlungen im Krankenhaus: 10 Euro pro Kalendertag (maximal 28 Tage lang)
  • ambulante oder stationäre Rehabilitations-Maßnahmen: 10 Euro pro Kalendertag

Grundsätzlich von der Zuzahlung befreit sind Kinder unter 18 Jahren (Ausnahme: Zuzahlung für Fahrtkosten). Die gesetzlichen Krankenversicherungen übernehmen außerdem auch alle nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel für alle Kinder unter 12 Jahren und für Jugendliche bis 18 Jahren, wenn diese an einer Entwicklungsstörung leiden.

Um zu verhindern, dass die Zuzahlung für medizinische Leistungen die finanziellen Möglichkeiten der Versicherten übersteigt, hat der Gesetzgeber eine Belastungsgrenze festgelegt und die Möglichkeit einer Zuzahlungsbefreiung eingeräumt.

Voraussetzung für die Zuzahlungsbefreiung

Wenn Sie in einem Kalenderjahr (zum Beispiel 2017) die Belastungsgrenze für Zuzahlungen überschritten haben, können Sie bei Ihrer Krankenkasse eine Zuzahlungsbefreiung beantragen. Die Belastungsgrenze richtet sich nach Ihrem Einkommen beziehungsweise nach dem Familien-Bruttoeinkommen und ist somit individuell verschieden. Sie können sie ganz einfach selbst ausrechnen.

Berechnung der individuellen Belastungsgrenze

Grundsätzlich beträgt die, für die medizinische Versorgung zumutbare, Grenze 2 Prozent des Familien-Bruttoeinkommens (bei chronischen Kranken: 1 Prozent). Es gibt jedoch Freibeträge, die zu berücksichtigen sind. Diese werden zunächst von dem Bruttoeinkommen der Familie abgezogen, bevor die Belastungsgrenze berechnet wird.

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Berechnung des Familien-Bruttoeinkommens

Um das Familien-Bruttoeinkommen zu ermitteln, müssen Sie sämtliche Einnahmen Ihrer Familie zusammenrechnen – unabhängig davon, ob und wie diese zu versteuern sind. Demnach müssen Sie folgende Einnahmen berücksichtigen und bei der Krankenkasse anhand entsprechender Nachweise belegen:

  • Arbeitsentgelte
  • Abfindungen
  • Einkünfte aus einer gewerblichen Tätigkeit
  • Einkünfte aus Kapitalvermögen
  • Bezüge aus Vermietungen / Verpachtungen
  • Arbeitslosengeld (I und II)
  • Krankengeld
  • Versorgungsbezüge
  • Renten

Nicht in die Berechnung einbeziehen müssen Sie dagegen:

  • Einkünfte von selbst versicherten Kindern, die sich in Ausbildung oder Studium befinden
  • BAföG
  • Kindergeld
  • Wohngeld

Geltendmachung von Freibeträgen

Von dem Familien-Bruttoeinkommen dürfen – für jeden Familienangehörigen – Freibeträge geltend gemacht werden. Die Höhe der Freibeträge ändert sich jedes Jahr in Abhängigkeit von dem Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr zuvor. In den letzten Jahren sind die Freibeträge kontinuierlich gestiegen und betragen beispielsweise für das Jahr 2018:

  • für Ehemann/-frau: 5.481 Euro
  • für jedes Kind: 7.428 Euro

Beispielrechnung für die individuelle Belastungsgrenze

Mithilfe des Familien-Bruttoeinkommens und der Freibeträge können Sie Ihre Zuzahlungsgrenze ganz einfach ausrechnen, wie das folgende Beispiel zeigt:

  1. Familie M. hat ein Jahresbruttoeinkommen von 50.000 Euro, wobei das Bruttoeinkommen des Ehemanns 30.000 Euro und das der Ehefrau 20.000 Euro beträgt.
  2. Für die Ehefrau (5.481 Euro) und das Kind (7.428 Euro) dürfen Freibeträge geltend gemacht werden, die sich in der Summe auf 12.909 Euro belaufen.
  3. Abzüglich dieser Freibeträge ergibt sich ein Familien-Bruttoeinkommen von 37.091 Euro.
  4. Die Belastungsgrenze liegt bei 2 Prozent dieses Bruttoeinkommens, also bei 741,82 Euro. Diesen Betrag muss Familie M. 2018 höchstens zuzahlen. Bei chronischer Krankheit eines Familienmitglieds verringert sich die Zuzahlung um die Hälfte, würde dann nur noch bei 370,91 Euro liegen.

Wenn die Zuzahlungen innerhalb eines Jahres die individuelle Grenze für Zuzahlungen übersteigen, können Sie eine Zuzahlungsbefreiung beantragen.

Tipp: Viele Krankenkassen bieten einen Zuzahlungsrechner auf ihren Internetseiten. Damit können Sie schnell und bequem Ihre persönliche Belastungsgrenze ermitteln.

Wichtig: Zuzahlungsbelege sammeln!

Da Ihre Krankenkasse Sie nicht automatisch benachrichtigt, wenn Sie Ihre Belastungsgrenze überschritten haben, müssen Sie selbst auf Ihre Zuzahlungen achten. Sammeln Sie deshalb von Jahresbeginn an alle Zuzahlungsbelege – diese benötigen Sie sowieso später als Nachweis gegenüber der Krankenkasse.

Achten Sie darauf, dass folgende Informationen aus den Zuzahlungsbelegen hervorgehen:

  • Ihr Vor- und Nachname (bzw. Vor- und Nachname des Versicherten)
  • Art der erbrachten Leistung (zum Beispiel: Arzneimittel)
  • Höhe der Zuzahlung
  • Datum der Abgabe
  • abgebende Stelle (zum Beispiel: Apotheke)

Tipp: Wenn Sie Ihre Medikamente immer in der gleichen Apotheke abholen, lassen Sie sich dort einen Sammelnachweis ausstellen. Das erspart Ihnen, der Apotheke und der Krankenkasse Zeit.

Welche Zuzahlungen werden nicht befreit?

Nicht alle finanziellen Aufwendungen, die Sie für medizinische Leistungen erbringen müssen, sind abziehfähige Zuzahlungen. Folgende Kosten dürfen Sie sich nicht anrechnen lassen:

  • die Differenz zwischen dem von der Krankenkasse festgelegten Höchstpreis für ein Medikament und einer teureren Variante
  • individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL)
  • andere Kosten, die grundsätzlich von der Krankenkasse nicht übernommen werden (wie Fahrtkosten zu einer ambulanten Behandlung)
  • Eigenanteile für medizinische Hilfsmittel (wie orthopädische Schuhe, für Zahnersatz und für eine künstliche Befruchtung

Beantragung einer Zuzahlungsbefreiung

Wenn Sie die Belastungsgrenze im Laufe des Jahres überschritten haben, können Sie für den Rest des aktuellen Jahres eine Zuzahlungsbefreiung beantragen. Sie können den Antrag auf Zuzahlungsbefreiung aber auch später stellen.

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Dazu nutzen Sie am besten den entsprechenden Vordruck Ihrer Krankenkasse.

Die Versicherung prüft alle Angaben und Belege und gibt Ihnen dann Bescheid, ob sie Ihren Antrag genehmigt oder ablehnt. Sobald der Antrag auf Zuzahlungsbefreiung genehmigt ist, muss Ihre gesamte Familie in dem betroffenen Kalenderjahr keine Zuzahlungen mehr leisten. Eventuell zu viel bezahlte Beträge erhalten Sie zurückerstattet.

Tipp: Sie müssen keine Belege sammeln, wenn Sie den Betrag in Höhe Ihrer maximalen Zuzahlungen im Voraus an die Krankenkasse zahlen. Dann befreit Sie die Versicherung automatisch von weiteren Zuzahlungen. Diesen Service bieten inzwischen verschiedene Krankenkassen an. Wenn dieses Vorgehen für Sie eine überlegenswerte Option ist, erkundigen Sie sich bei Ihrer Krankenversicherung!

Zuzahlungsbefreiung bei chronischer Krankheit

Für schwerwiegend chronisch Kranke gilt eine niedrigere Belastungsgrenze als für Gesunde. Sie liegt bei 1 Prozent des Bruttoeinkommens der Familie. Voraussetzung hierfür ist, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit mindestens einmal im Quartal ärztlich behandelt wird und wenigstens eines der folgenden Merkmale auf ihn zutrifft:

  • mindestens 60 Prozent Behinderung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit
  • Bedarf an kontinuierlicher medizinischer Versorgung, ohne die sich der Gesundheitszustand verschlimmern würde
  • Pflegestufe 2 oder 3 bzw. Pflegegrad 3, 4 oder 5

Regelungen für Leistungsempfänger

Bei der Berechnung der Belastungsgrenze von Leistungsempfängern (also Empfängern von Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung im Alter) wird nur der Regelsatz des Haushaltsvorstandes berücksichtigt. Der Regelsatz liegt aktuell bei 4.992 Euro (Stand: 2018). Eine Zuzahlung von maximal 2 Prozent entspricht hier einem Betrag von 99,84 Euro. Der Abzug von Freibeträgen ist hier nicht möglich.

Tipp: Für Leistungsempfänger mit sehr hohen Zuzahlungen bieten die Sozialhilfeträger eine darlehensähnliche Übernahme der Kosten an, die dann vom Leistungsempfänger ratenweise zurückgezahlt werden. Hierauf müssen sich Krankenkasse und Sozialhilfeträger allerdings vorher einigen.

WIADO bietet Ihnen außerdem weitere Informationen und Tipps rund um die Krankenversicherung, beispielsweise zum Wechsel Ihrer gesetzlichen Krankenkasse.

Quellen:
https://www.aponet.de/service/zuzahlungsbefreiung/
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/zuzahlung-krankenversicherung.html
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/A/Arzneimittelversorgung/Zuzahlungsregelungen_GKV.pdf
https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/gesundheit-pflege/krankenversicherung/zuzahlungen-die-regeln-fuer-eine-befreiung-bei-der-krankenkasse-11108

Über unseren Autor
Mirko Kreißig ist Online-Redakteur bei Wiado. Als studierter Anglist hat er nicht nur ein Faible für Sprachen, sondern auch für Nachhaltigkeit und Verbraucherschutz. Auch in schlechten Zeiten versucht er sich sein Credo „Always look on the bright side of life“ zu bewahren und die Leser mit einem Lächeln sicher durch die kleinen und großen Tücken des Alltags zu lotsen.
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