In diesem Artikel
Babys sind kleine Individualisten, und zwar von Anfang ihres Lebens an. Jedes Kind hat dabei sein ganz persönliches Tempo! Unterschiede in der Entwicklung von Gewicht, Körpergröße und Kopfumfang zeigen ein gesundes Wachstum an. Trotzdem durchlebt jedes Baby und Kleinkind mehre sogenannte Wachstumsschübe.
Was uns Tabellen lehren oder auch nicht
Baby Geburt bis 1. Geburtstag |
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Ungefährer Zeitpunkt | Wachstumsschub | Anzeichen | „1. Hilfe“ |
6. bis 10. Tag nach Geburt | 1. |
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4. bis 6. Lebenswoche | 2. | ||
(8./9. Lebenswoche) | 3. nicht bei allen Babys! |
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10. bis 12. Lebenswoche | 3./ 4. | ||
um 24. Lebenswoche herum | 4./ 5.
individuell, auch später |
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37. Lebenswoche |
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46. Lebenswoche |
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55. Lebenswoche |
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Merke: Tabellen enthalten immer nur Durchschnittswerte! Bücher über eine
Normalentwicklung genau so, auch wenn manche Angaben schwanken.
Baby-Girls entwickeln sich anders als Baby-Boys
Zeitliche Unterschiede beim Auftreten der Wachstumsschübe sind normal. Manchmal fallen sogar ganz weg. Sie sollten aber nicht verwundert sein, wenn plötzlich Babys Strampler zu klein ist!
Ob ein Baby am Geburtstermin das Licht der Welt erblickt oder sich aus Neugierde schon früher auf den Weg gemacht oder gar keine Lust zur Trennung aus dem A.I. Hotel hat, spielt eine Rolle.
Anzeichen und „1.Hilfe“ verändern sich allerdings wenig!
Hier noch einmal eine kleine Übersicht dieser Faktoren:
Nicht verzagen!
Die Dauer des Wachstumsschubs kann sich zwischen vier Stunden (meine kürzeste Beobachtung) bis zu einer Woche oder zehn Tagen hinziehen. Danach kehrt üblicherweise wieder Ruhe nach dem Sturm ein. Unser Baby ist freundlich und friedlich wie zuvor.
Wachstumsschübe beim Kleinkind
Bedingt durch die individuelle Entwicklung des Kleinkindes, lässt sie sich deutlich schwieriger in Tabellenform erfassen. Das Längenwachstum verlangsamt sich deutlich innerhalb der ersten zwei Lebensjahre. Während der ersten drei Lebensmonate wachsen Kinder mehr als 1mm/Tag, im 3. Lebensjahr dagegen durchschnittlich fünfmal weniger. Ähnliche Beobachtungen machen die Eltern auch beim Gewicht. Da sie ihre Kleinkinder täglich sehen, fällt eine Veränderung meist gar nicht mehr oder nur sehr wenig auf – höchstens dann, wenn das niedliche Kleidchen oder die fesche Hose nicht mehr passen will.
Kleinkind 1. bis 3. Lebensjahr |
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Ungefährer Zeitpunkt | Wachstumsschub | Besonderheiten | Hinweise |
10.bis 24. Lebensmonat | nur geringfügige Veränderungen im körperlichen Wachstum |
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24. bis 36. Lebensmonat | nur geringfügige Veränderungen im körperlichen Wachstum |
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Was ist überhaupt ein Wachstumsschub?
Ein Wachstumsschub ist ein kleiner Zeitabschnitt (durchschnittlich
etwa 48 Stunden), der durch Längen- und/ oder Gewichtszunahme des Babys oder Kleinkindes gekennzeichnet ist. Damit ist deutlich, dass die kindliche Entwicklung nicht kontinuierlich verläuft.
Natürlich kann ein Wachstumsschub auch kürzer oder länger dauern. Er zeigt in jedem Fall den erhöhten Kalorienbedarf des Säuglings an. So entsteht ein Missverhältnis zwischen Angebot der Mutter und Nachfrage des Babys.
Wachstumsschübe unterscheiden sich übrigens von Entwicklungsschüben, die die Gesamtentwicklung des Babys/ Kleinkindes (körperlich, geistig) beschreiben. Anders formuliert beleuchtet ein Wachstumsschub nur einen begrenzten Ausschnitt aus der Gesamtentwicklung.
Das wunderbare weiße Lebenselixier Muttermilch verändert sich massiv sowohl in der Zusammensetzung, als auch in der Menge innerhalb der ersten zehn Lebenstage des Babys. Sie durchläuft Reifungsstufen:
Je mehr Kolostrum¹ innerhalb der ersten 30 Lebensstunden des Neugeborenen, entleert wird, umso bessere Chancen für eine gute Milchbildung bestehen. Da der Körper sehr effektiv arbeitet, wird Übergangsmilch erst gebildet, wenn kein Kolostrum mehr vorhanden ist.
Merke: Für die Stillpraxis bedeutet es, das Baby innerhalb der ersten 24
Lebensstunden 12-14x an die Brust zu nehmen.
Während die Übergangsmilch abnimmt, nimmt gleichzeitig reife Muttermilch zu.
Unser nachfolgendes Beispiel hat eine typische Situation aufgegriffen, die den ersten Wachstumsschub widerspiegelt.
Der erste Schock der Mutter
Anruf am Abend – 22.30 – Uhr bei der Hebamme: „Hilfe, meine Milch reicht nicht! Was soll ich denn bloß machen? Die Apotheke hat doch jetzt schon geschlossen.“ Frau L. hat vor sieben Tagen ein süßes kleines Mädchen zur Welt gebracht. Die ersten Tage nach der Geburt verliefen in einer friedlichen, freundlichen Atmosphäre zu Hause. Stillen der Kleinen ist kein Problem. Es wird von Mutter und Kind als schöne Zweisamkeit erlebt. Nun krieselt es offenbar, denn eine Urangst tritt plötzlich zu Tage: Mein Kind muss verhungern, wenn ich nicht genug Milch produziere.
Die Rolle des Kuschelhormons Oxytocin
Milchproduktion und –abgabe sind die beiden wichtigen Vorbedingungen für das Stillen. Sie werden durch zwei Hormone² geregelt: Prolaktin( Milchbildungshormon) und Oxytocin (Milchabgabehormon). Letzteres ist sensibel und verhält sich wie ein scheues Reh. Wenn es gestört wird, zieht es sich zurück oder flieht. Störungen sind vielfältiger Natur, zum Beispiel:
- Angst
- Aufregung
- Schmerz
- Stress, von dem es bekanntlich in den ersten Lebenstagen des Babys genug gibt
- Wachstumsschub
Für die Stillpraxis bedeutet es, dass die Milch zwar gebildet ist, aber kein Milchfluss sichtbar oder fühlbar ist. Der Milchspendereflex³ wird nicht ausgelöst. Das Baby saugt energischer an der Brust, wird unruhig, unzufrieden und lässt die Brust schließlich, scheinbar ärgerlich, los. Was nun? Ursachenbeseitigung.
Wenn alle Brünnlein fließen…
Oxytocin wird bei jeder Hautberührung freigesetzt. Die Mutter legt ihr bis auf die Windel nacktes Kind einfach auf ihren nackten Oberkörper. Beide entspannen. Dann setzt auch der Milchspendereflex wieder ein und alle Brünnlein fließen.
Eine andere Möglichkeit, den Milchspendereflex auszulösen, ist eine Rücken- oder sanfte Brustmassage. Sanft ist wichtig, weil eine milchgefüllte Brust sehr schmerzempfindlich reagiert.
Manchmal hilft es auch, eine feuchtwarme Windel auf die Brust zu legen. Damit wird die Durchblutung angeregt, die Milch(nach- / neu)bildung verbessert und die Abgabe stimuliert.
Hilfe
Am besten weiß die Mutter Bescheid, wann solche Wachstumsschübe auftreten. Sie kann dann entspannter reagieren.
Legen Sie ihr Baby so oft an die Brust, wie es hungrig ist (Stillen nach Bedarf!). Je mehr und je länger es an der Brust trinkt, desto mehr Milch wird gebildet. Das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wird innerhalb kurzer Zeit wieder hergestellt. Eine Flaschennahrung zuzufüttern, ist die schlechteste Variante!
Um den sechsten Lebensmonat herum kann auch der wirkliche Energiebedarf des Babys so gewachsen sein, dass es nach Beikost verlangt. Dann ist möglicherweise die Zeit für den Einsatz von Fingerfood reif.
Was zum Schluss bleibt, ist der Wunsch für gutes Wachstum und gestählte Nerven für die Eltern. Jeder Wachstumsschub geht einmal zu Ende!
¹ Ist die erste Milch, die schon während der Schwangerschaft in der Brust gebildet und oft ausläuft
² Signal- und Botenmoleküle, die der Regulation (Stimulation oder Hemmung) der verschiedenen Körperfunktionen dienen. Sie können von hormonbildenden Zellen in das umliegende Gewebe oder in die Blutgefäße abgegeben werden
³ Ist eine unwillkürliche Reaktion der Brust auf den Saugreiz des Babys. Sie führt durch das Hormon Oxytocin verursacht, zur Milchfreigabe.
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wachstumsschub
http://flexikon.doccheck.com/de/Hormon
Biancuzzo, M. Stillberatung Mutter und Kind professionell unterstützen, Elsevier, 2005
Eugster, G. & Both, D. Stillen gesund & richtig, Elsevier, 2009
Largo, R.H. Babyjahre, Piper, 18. Aufl. 2016
Hetty van de Rijt, Frans X. Plooij Oje, ich wachse, Mosaik Verlag