In diesem Artikel
Vordere und hintere Hinterhauptslage sind Begriffe aus der Geburtshilfe. Sie beschreiben die Haltung des kindlichen Kopfes während der Geburt. Dabei ist die vordere Hinterhauptslage der Normalfall, die hintere Hinterhauptslage gehört zu den Anomalien (Abweichungen vom Normalen), die man auch als „Sterngucker-Geburt“ bezeichnet. In diesem Artikel erläutern wie beide Begriffe Für Sie näher.
Das Kind als „Geburtsobjekt“
Eine vaginale Geburt wird durch zahlreiche Anpassungsvorgänge des Kindes an den mütterlichen Geburtskanal ermöglicht. Dabei gibt das knöcherne Gerüst der Mutter den Weg für das „Geburtsobjekt Kind“ zwingend vor. Damit das Baby geboren werden kann, muss es sich
- in einer Längslage befinden (Querlage ist geburtsunmöglich),
- richtig in den Geburtskanal einstellen (vorangehendes Körperteil muss den idealen Weg im Becken finden) und
- selbst in die platzsparendste Haltung begeben (Kopf auf den Rumpf beugen).
Alle geburtshilflichen Situationen, in denen das Kind von der idealen Lage, Einstellung und Haltung abweicht, bedeuten ein erhöhtes Geburtsrisiko oder sogar eine Geburtsunmöglichkeit. Jeweils bestehen aus medizinischer Sicht Gründe, in den Geburtsverlauf mehr oder weniger stark einzugreifen, um die Gesundheit oder gar das Leben von Kind und/oder Mutter zu bewahren.
Was ist eine Hinterhauptslage?
Der Begriff „Lage“ ist irreführend. Genau genommen handelt es sich nämlich nicht darum, wie das Kind im Becken der Mutter liegt, sondern welche Haltung es während der Passage durch den Geburtskanal einnimmt. Deshalb heißen die korrekten Fachbegriffe auch vordere oder hintere Hinterhauptshaltung. Allerdings haben sich im Laufe der Jahre stattdessen die Begriffe vordere bzw. hintere Hinterhauptslage „eingeschliffen“.
Was ist die vordere Hinterhauptslage?
Die vordere Hinterhauptslage (VoHHL) ist der Normalfall bei einer physiologischen Geburt. Stellen wir uns vor, die Gebärende sitzt oder liegt in Rückenlage auf dem Entbindungsbett. Das Kind rutscht „auf dem Bauch liegend“ durch den Geburtskanal. Ähnlich dem Brustschwimmen schaut es dabei nach unten zur Rückseite der Mutter (kreuzbeinwärts). Wenn es geboren wird, blickt es als erstes auf das bunte Bettlaken des Entbindungsbettes. Sein Hinterhaupt, welches bei der Geburt als schmalste Stelle des Kopfes vorangeht zeigt zur Vorderseite der Mutter (bauchwärts), woher die Bezeichnung vordere Hinterhauptslage kommt.
Was ist die hintere Hinterhauptslage?
Die hintere Hinterhauptslage (HiHHL) bedeutet eine Abweichung vom physiologischen Geburtsverlauf. Stellen wir uns wieder die Frau im Entbindungsbett vor in sitzender oder liegender Position (Rückenlage). Das Kind kann sich auch als „Rückenschwimmer“ auf den Weg durch den Geburtskanal begeben. In diesem Fall schaut es zur Vorderseite der Mutter (bauchwärts). Wenn es nun geboren wird, blickt es an die Decke oder, wenn diese nicht da wäre, in den Himmel. Daher kommt der Name „Sterngucker“. Das vorangehende Hinterhaupt des Kindes zeigt zur Hinterseite der Mutter (kreuzbeinwärts), woher die Bezeichnung hintere Hinterhauptslage kommt.
Folgen der hinteren Hinterhauptslage
Die hintere Hinterhauptslage kommt in 0,5 bis 1% aller vaginalen Geburten vor. Eine Anomalie ist sie deshalb, weil die Drehung des Kindes im Geburtskanal von der physiologischen Variante abweicht („Brustschwimmer wird zum Rückenschwimmer“). Dies ist mit erhöhten Geburtsrisiken verbunden: Einerseits besteht für die Mutter eine größere Verletzungsgefahr im Beckenbodenbereich, weil die ungünstige Kopfhaltung mehr Platz beansprucht. Andererseits verlängert sich die Geburtsdauer, wodurch das Kind einem vermehrten Wehenstress ausgesetzt ist. Besonders, wenn sich die Austreibungsperiode „hinzieht“, besteht für das Kind die Gefahr eines Sauerstoffmangels. Deshalb werden bei einer hinteren Hinterhauptslage verstärkt Interventionen notwendig (Eingreifen in den Geburtsablauf). Diese können sein:
- Konsequente Einhaltung der Lagerungsregel: Lagerung der Frau auf der Seite des kindlichen Rückens (freie Wahl der Wehenposition ist etwas eingeschränkt), dabei kommt es zur Nutzung physikalischer Gesetze für die Geburtsmechanik
- Wehentropf (Oxytocin-Infusion) zur Unterstützung der Wehentätigkeit, denn nur mit kräftigen Wehen kann die unphysiologische Geburt doch noch erfolgreich verlaufen
- Periduralanästhesie = PDA (Form der rückenmarksnahen Narkoseform), um eine optimale Entspannung der mütterlichen Weichteile zu ermöglichen, damit weniger Widerstand für das schwer vorankommende Köpfchen gegeben ist
- Dammschnitt (Episiotomie), weil man damit das Risiko für schwerste Rissverletzungen minimieren sowie die Austreibungsphase beschleunigen kann
- Operative Geburtsbeendigung durch Zangen- oder Saugglockengeburt, um eine verlängerte (gefährliche) Austreibungsperiode zu beenden
- Kaiserschnitt (Sectio caesarea), falls andere Maßnahmen nicht zu einer erfolgreichen vaginalen Geburt führen.
Ich wünsche Ihnen Alles Gute!
Quellen:
Ch. Mändle, S. Opitz-Kreuter; „Das Hebammenbuch“; Schattauer Verlag 2007; S. 315f, S. 409f
Ch. Geist, U. Harder, A. Stiefel; „Hebammenkunde“, Hippokrates Verlag 2007; S. 342ff
https://www.swissmom.ch/geburt/entbindung/komplikationen/fehleinstellung-des-koepfchens/