Stillhütchen: Vor- und Nachteile | 5 Tipps zum Abgewöhnen

In diesem Artikel Sollte sich jetzt jemand fragen, ob ein Stillhütchen als neue Mode für stillende Mutter empfohlen wird – nein, eine Modefrage ist das nicht! Wie Frau Stillhütchen anwendet oder besser nicht, wird in diesem Artikel diskutiert. Es gibt interessante Argumente dafür und dagegen. Steigen Sie ein in die Argumentation! Das Märchen vom Stillhütchen […]

Stillhütchen

In diesem Artikel

Sollte sich jetzt jemand fragen, ob ein Stillhütchen als neue Mode für stillende Mutter empfohlen wird – nein, eine Modefrage ist das nicht! Wie Frau Stillhütchen anwendet oder besser nicht, wird in diesem Artikel diskutiert. Es gibt interessante Argumente dafür und dagegen. Steigen Sie ein in die Argumentation!

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Das Märchen vom Stillhütchen

Wie jedes Märchen beginnt auch dieses mit „Es war einmal…“ ein „Mexikanischer Hut“. (Bitte Bild eines Sombrero und daneben ein Stillhütchen !)So nannte man die ersten Stillhütchen. Das war ein Teil aus dickem Latex oder Gummi, der auf die Brustwarze aufgesetzt wurde, weil die Mutter über Schmerzen beim Stillen und wunde Brustwarzen klagte. Die clevere Hebamme dachte, dass eine Art Schutz zwischen der wunden Brustwarze und dem saugenden Babymund die Lösung wäre. Statt einer Besserung des Zustandes traten in der folgenden Zeit noch mehr Probleme auf:

  • Die Milchproduktion ging zurück.
  • Das Baby zeigte ein verändertes Saugverhalten.
  • Als Folge davon wurden die Schmerzen heftiger und die Brustwarzen gequetscht und rissig.
  • Die Mutter stillte ab.

Stillen Brust Mahlzeit

Nun haben Märchen ja meist ein Happy End. In diesem Fall entwickelte sich das nur für die Industrie, die auf die Idee kam, diese Stillhilfsmittel ultradünn und aus Silikon herzustellen. Heute sind sie bei manchen Müttern beliebter denn je, scheinen sich doch manche Stillprobleme fast sofort in Wohlgefallen aufzulösen.

Der Versuch mit dem Stillhütchen

Übrigens setzt sich in unter Stillberatern statt Stillhütchen der Ausdruck Brusthut durch. Erinnert doch ein –chen immer an etwas Kleines, Niedliches, das offenbar gar keine Probleme macht.

Merke: Bei Anwendung eines Brusthuts

keinen Beruhigungssauger verwenden und Stillen nach Bedarf, weil sonst

ungenügende Stimulation der Brustwarzen

Rückgang der Milchbildung

Gründe, einen Brusthut einzusetzen, kann man in zwei Gruppen einteilen: mütterliche und kindliche. Dabei stellen die blau unterlegten Kästchen eher zu hinterfragende Anwendungen dar. Warum das so ist, wird deutlich, wenn wir uns Vor- und Nachteile beim Einsatz ansehen.

Stillhütchen

Vorteile

1. Die Mutter kann sehen, dass sie Milch produziert und ihr Baby nicht verhungern muss.

Viele Mütter sind verunsichert, wenn sie erstmals stillen. Der sogenannte Milcheinschuss – besser die initiale Brustdrüsenschwellung – verursacht oft schwere, pralle Brüste, die sehr hart sind. Das wird nicht durch Milch verursacht, sondern durch Lymphflüssigkeit im umliegenden Gewebe. Dieser Lymphstau behindert den Milchfluss. Darum kommt manchmal keine Milch aus der Brust, vor allem nicht, wenn der Milchspendereflex (MSR) noch nicht ausgelöst ist. Die Mutter schaut auf ihre unförmigen, schmerzhaften Brüste und gerät in Stress. Der aber behindert das Stillen erst recht. Setzt sie dann einen Brusthut auf, das Baby erfasst ihn und saugt los, ist die Sperre im Gehirn meist gelöst.

Merke: Der Brusthut soll schnellstens wieder „abgewöhnt“ werden, damit das Baby keine falsche Saugtechnik erlernt.

2. Wenn ein Baby trotz guter Anlegetechnik die Brust nicht erfassen kann (z.B. bei flachen oder nach innen gezogenen Brustwarzen), ist der Einsatz eines Brusthuts eine vorübergehende Lösung.

Zu beachten ist dabei die richtige Wahl des Brusthuts nach folgenden Kriterien:

  • weiches Material (Silikon)
  • richtige Größe (passend zur Brustwarze und zum Mund des Kindes)
  • Aussparung für die kindliche Nase (Babys orientieren sich am Geruch)

3. Selten produzieren Mütter eine derartige Menge an Milch, dass das Baby damit fast „ersäuft“ wird. Es schluckt und schluckt, kommt nicht einmal mehr zum Luftholen zwischendurch, lässt schließlich die Brust los und wird in einem Milchstrahl eingeweicht. Von der wunderbaren kosmetischen Wirkung der Muttermilch ganz abgesehen, ist das dauerhaft weder für Mutter noch für Kind ein angenehmes Unterfangen. In diesem Fall wirkt ein Brusthut wie eine Art zwischengeschalteter Bremse. Es gibt aber auch andere Lösungen, beispielsweise das Kind bäuchlings auf die Mutter zu legen und gegen die Schwerkraft trinken zu lassen.

Stillhütchen

4. Saugschwache Babys profitieren in vielen Fällen von der Anwendung, weil der Brusthut einen starken Reiz für die Auslösung des Saugreflexes für das Baby setzt. Allerdings gewöhnt es sich eben auch sehr schnell daran. Dann steht das nächste Problem ins Haus: das Abgewöhnen.

Nachteile

Pro und Kontra bei Anwendung von Brusthüten sind Gegenstand vieler wissenschaftlicher Untersuchungen. Heute tendiert man eher zur Zurückhaltung bei der Anwendung und gibt dafür folgende Begründungen:

Brusthüte

  • beheben nur selten tatsächliche Probleme
  • beseitigen nicht die Ursache, Wundinfektionen treten häufiger auf und Behandlungsbeginn wird verzögert
  • verzögern und vermindern MSR durch Beeinflussung des Hormonspiegels
  • vermindern und verzögern Milchfluss
  • verursachen mangelhafte Entleerung der Brust → Risiko von Milchstau und Brustentzündung (Mastitis) steigt
  • verhindern die Keimübertragung aus dem Nasen-Rachen-Raum des Kindes auf die mütterliche Brust → Mutter bildet keine Antikörper gegen kindliche Keime
  • verhindern die Übertragung mütterlicher Antikörper beim Stillen, weil kein direkter Brust-Mund-Kontakt besteht
  • können die Milchmenge reduzieren in einer Zeit, wo sie gesteigert werden sollte (innerhalb der ersten 10 Tage!)
  • verursachen möglicherweise verlangsamtes Gedeihen des Babys
  • können die Stillzeit verkürzen

Merke: Wenn Brusthüte verwendet werden, sollte das wegen der zu erwartenden Komplikationen nur für kurze Zeit geschehen und sorgfältig überlegt sein!

Fünf Tipps zum Abgewöhnen

Merke: Stillen Sie lieber mit Hütchen als gar nicht!

Babys lernen sehr schnell, weil sie sonst nicht überleben könnten. Ein Neugeborenes muss lernen, unter atmosphärischen Bedingungen zu saugen und zu schlucken. Es koordiniert und synchronisiert dazu in kürzester Zeit 50 Paar Muskeln. Demzufolge lernt es auch schnell, dass ein Brusthut u.U. weniger Anstrengung erfordert und protestiert, wenn dieser Lernerfolg plötzlich wieder abtrainiert wird.

  1. Tipp
    Verwöhnen Sie Ihr Baby mit ganz viel direktem Hautkontakt (nacktes Baby auf nackter Mama)! Lassen Sie Ihren Oberkörper vom Baby erforschen. Manchmal entdeckt es dabei ganz „zufällig“ die Brust.
  2. Tipp
    Zeigen Sie Ihrem Baby, wie man den Mund ganz weit öffnet und die Zunge herausstreckt (als Voraussetzung für das Stillen).
  3. Tipp
    Sagen Sie ihm, dass es Ihnen heute zeigen kann, dass es auch ohne Brusthut trinken kann. Ermutigen Sie Ihr Kind immer wieder, auch wenn es nicht beim ersten Versuch gelingt!
  4. Tipp
    Wenn es so nicht funktionieren will, verlieren Sie nicht gleich die Geduld. Starten Sie nach einigen Versuchen mit dem Stillhut. Wenn das Baby ordentlich trinkt, versuchen Sie ihn weg zu schmuggeln.
  5. Tipp
    Nehmen Sie die Hilfe von Stillexperten (Berater, Hebammen) in Anspruch.

Quellen:
Biancuzzo, M. Stillberatung, Urban & Fischer, München, 2005
Brandt-Schenk, I. Stillen, Südwest, München 2004
Praxisbuch: Besondere Stillsituationen, Hippokrates, 2012
https://www.still-lexikon.de/stillhuetchen-ein-hilfsmittel-mit-bedingtem-nutzen/

Hier schreibt Hebamme
Edeltraut Hertel ist Diplom-Medizin-Pädagogin, Hebamme und Krankenschwester. Sie arbeitete im In- und Ausland (8 Jahre Tansania, Katastropheneinsätze in Mazadonien, Sudan und Eritrea), und war fast 15 Jahre als freiberufliche Hebamme in Glauchau und Umgebung tätig. Von 2012 bis 2017 unterrichtete sie an der Med. Berufsfachschule der Klinikum Chemnitz gGmbH. Seit Sept. 2017 erfreut sie sich an ihrem Ruhestand, gibt aber gern aus ihrem Wissens- und Erfahrungsschatz an Wissensdurstige weiter.
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Edeltraut Hertel ist Diplom-Medizin-Pädagogin, Hebamme und Krankenschwester. Sie arbeitete im In- und Ausland (8 Jahre Tansania, Katastropheneinsätze in Mazadonien, Sudan und Eritrea), und war fast 15 Jahre als freiberufliche Hebamme in Glauchau und Umgebung tätig. Von 2012 bis 2017 unterrichtete sie an der Med. Berufsfachschule der Klinikum Chemnitz gGmbH. Seit Sept. 2017 erfreut sie sich an ihrem Ruhestand, gibt aber gern aus ihrem Wissens- und Erfahrungsschatz an Wissensdurstige weiter.
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