In diesem Artikel
Mutter und Baby stehen in engster sozialer Bindung, einer Zweierbeziehung, die in der Fachliteratur Dyade genannt wird. Sie hat Vorteile für beide Partner. Die Aktion des einen zieht die Reaktion des anderen nach sich. Das lässt sich beim Stillen sehr schön beobachten.
Wenn das Baby Hunger hat, zeigt es Stillzeichen. Es ist bereit zum Stillen, wenn die Mutter Folgendes sieht:
- Räkeln
- Schmatzen
- Suchen
- an Hand oder Finger(n) saugen
- Schreien (spätes Zeichen!)
Die Mutter reagiert, indem sie das Baby an ihren Körper nimmt und ihre Brust anbietet. In dieser kurzen Zeit arbeitet ihr Gehirn auf Hochtouren. In der Hirnanhangdrüse wird das Kuschel- oder Liebeshormon Oxytocin freigesetzt. Es gelangt über den Blutkreislauf auch in die Brust. Dort wirkt es auf die kleinen Muskelzellen, die die Milchbläschen umgeben und drückt sie zusammen. Die Milch wird herausgepresst in das Gangsystem. Die etwa 8-12 Milchgänge münden auf der Brustwarze. Ein Milchtropfen kann sichtbar werden. Dieser Vorgang heißt in der Fachsprache Milchspendereflex (MSR). Er ist die Voraussetzung für den Stillvorgang.
Gleichzeitig wirkt Oxytocin aber auch an der Gebärmutter und hilft bei ihrer Rückbildung nach der Geburt. Manche Frauen bemerken im frühen Wochenbett, dass beim Stillen der Wochenfluss stärker wird. Das ist ein völlig normaler Vorgang.
Wie gut, dass diese Vorgänge unbewusst ablaufen und damit unser Gehirn nicht belastet wird!
Lernen, lernen, nochmal lernen
Dass Stillen aber ebenfalls ein Lernprozess ist, muss unbedingt erwähnt werden. Er erfordert Geduld von Mutter und Baby. Tanzen lernt Frau schließlich auch nicht in einer Stunde! Gewöhnung und sich aufeinander einzustellen sind wichtige Faktoren am Stillbeginn. Die Brustwarzen sind nicht an ein längeres Saugen gewöhnt. Deswegen sind die Anfangstage beim Stillen oft anstrengend. Unterstützung und Ermutigung der stillenden Mutter aus ihrem sozialen Umfeld sind deshalb lebensnotwendig.
Dass in diesem sensiblen Geschehen Störungen auftreten können, liegt auf der Hand. Je besser der „Tanz miteinander“ gelingt, um so weniger störanfällig wird er auch.
Achtung Störung!
Wenn eine Störung auftritt sucht jeder gute Techniker zuerst nach der Ursache, um sie zu beheben.
Merke: Schmerzen beim Stillen sind immer ein Zeichen einer Störung!
Wunde Brustwarzen sind das Ergebnis. Ursachensuche kommt stets vor der Behandlung!
Ursachen wunder Brustwarzen
Viele Mütter klagen vor allem in den ersten Wochen nach der Geburt über Schmerzen beim Stillen oder wunde Mamillen. Es folgen 5 häufige Ursachen, die zu wunden Brustwarzen führen können.
1. Anlegefehler
Nachdem sich Baby und Mutter auf das Stillen eingestellt haben, ist ein direkter Hautkontakt (bis auf die Windel nacktes Baby an die nackte Brust der Mutter) zu empfehlen. Das Baby sucht sich – immer der Nase nach – den Weg zur Brust allein und braucht nicht „angelegt“ zu werden. Seine Neugeborenenreflexe unterstützen es anfangs dabei. Es öffnet den Mund weit mit einem Kieferwinkel bis zu 140° und „dockt“ an der Brust an. Dabei erfasst es mehr Brustgewebe als nur die Brustwarze. Liegt sie zentral im Mund des Säuglings, entstehen keine wunden Brustwarzen. Der Saugdruck, den das Baby entwickelt, verteilt sich so gleichmäßig. Das bestätigt auch eine neuere australische Studie.
Wird es „angelegt“ von seiner Mutter oder einer anderen Person, ist darauf zu achten, dass sich Babys Mund in Höhe der Brustwarze befindet. Die Mutter unterstützt in diesem Fall ihr Baby soweit als nötig und zieht es im richtigen Moment nahe heran. Der richtige Moment ist der, wenn das Baby seinen Mund weit geöffnet hat.
Merke: Anlegefehler sind die häufigste Ursache für wunde Brustwarzen und gleichzeitig der häufigste Grund zum frühen Abstillen.

Tipp: Nehmen Sie die Hilfe von Stillexpertinnen in Anspruch!
2. Wundinfektionen
Besiedelt sich eine wunde Brustwarze mit Keimen, wie z.B. Bakterien, Pilzen oder Viren, entsteht eine Wundinfektion. Die muss unbedingt behandelt werden, wenn sich keine weitere Komplikation daraus entwickeln soll. Bei Bedarf wird die Wunde gereinigt. Eine Stillexpertin oder der Frauenarzt sollte hinzugezogen werden, wenn sich die Situation verschlechtert, weil sich beispielsweise eine Brustentzündung andeutet.
Als Mittel der Wahl stehen Hydrogel-Brustkompressen, Soft-Laser-Therapie und Lanolin zur Verfügung.
Merke: Hände gründlich säubern vor dem Stillen, um Infektionen vorzubeugen!
3. Schlechte Durchblutung der Brustwarze (Raynaud Syndrom)
Die stillende Mutter entdeckt nach dem Ende einer Stillmahlzeit, dass ihre Brustwarze weiß aussieht und schmerzt. Diese Reaktion zeigt sich, wenn die feuchte Brustwarze kühl wird. Die Ursache ist ein Gefäßkrampf kleiner Blutgefäße, der sich innerhalb kurzer Zeit wieder zurückbildet. Sie kennen das Phänomen, wenn Sie bei sehr kalter Witterung ohne Handschuhe unterwegs sind.
Es könnte auch sein, dass es die Nebenwirkung einer Pilzbehandlung mit Fluconazol an der Brust war. Hilfreich ist hier in der Regel die Einnahme von Magnesium, das die Gefäße erweitert und damit den Gefäßkrampf verhindert.
4. Mangel an Eisen, Zink und Vitamin C
Diese Ursache ist am einfachsten zu beheben, indem Frau diese Stoffe zuführt. Am besten gelingt das mit einer ausgewogenen Ernährung. Manchmal ist auch die Aufnahme von Mikronährstoffen oder Nahrungsergänzungen – am besten auf pflanzlicher Basis- sinnvoll.
5. Erhöhte Kieferspannung des Babys
Sie kann verschiedene Gründe haben und gehört auf jeden Fall in Expertenhand. Orthopäden, Osteopathen, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten zählen in diese Gruppe. Babys beißen regelrecht in die Brust und lassen nicht freiwillig wieder los. Schmerzen blockieren aber den MSR in der Brust so, dass keine Milch fließt. Das Brustgewebe wird nicht entlastet und damit schlechter durchblutet. Schmerzen und wunde Brustwarzen können die Folgen davon sein.
Quellen:
https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/dyade/3715
Lawrence, R.A. & Lawrence, R.M. Breastfeeding, A Guide for the Medical Profession, 8th ed. , 2016;
Aufzeichnungen aus der Weiterbildung zur Still- und Laktationsberaterin