Saugverwirrung beim Baby beheben – was können Mütter tun?

Ist jemand verwirrt, weiß er oft nicht mehr, was richtig und was falsch ist. Aber ein Baby? Kann das denn überhaupt schon unterscheiden, was richtig und was falsch ist?? Tatsächlich streitet sich die wissenschaftliche Welt um den Begriff „Saugverwirrung“. Wir informieren Sie.

Baby schreit nach dem Stillen

In diesem Artikel

Unter dem Wort Saugverwirrung ist zu verstehen, dass Babys die Brust als Ernährungsquelle nicht mehr annehmen. Das kann davon kommen, dass sie zusätzlich zur Brust auch noch mit einer Flasche mit Sauger gestillt werden, oder häufig einen Nuckel zur Beruhigung bekommen. Bei diesen Varianten muss sich das Kind nicht anstrengen, denn die Milch fließt bei einer Flasche mit Sauger ohne große Anstrengung in den Mund des Kindes. Wird ihm dann wieder die Brust angeboten, verweigern die Kleinen dann oftmals die „schwere Arbeit“ des Saugens.

Video-Tipp

Saugverwirrung – was ist das?

Ein Kind mit Saugverwirrung – wenn es denn überhaupt so eine Kategorie gibt – wendet die zuerst geübte „Technik“ des Trinkens auf eine andere Ernährungsquelle an:

Trinktechnik Stillen Flasche
Reflexe angeborener Saugreflex Lernvorgang
Einbezogene Muskeln
  • Gesicht (Mundboden, Lippen, Wangen, Zunge)
  • Körper
  • Gesicht (Mundboden, Lippen, Wangen, Zunge)
  • Körper weniger aktiviert
Vorgang
  1. Entstehung eines Vakuums in Mundhöhle als Voraussetzung für Saugen
  2. Schluckreflex
  1. Druckaufbau, aber kein Vakuum
  2. Schluckreflex
Vorteile
  • Training der Muskulatur
  • Müdigkeit von Kind und Mutter
Schnellere Mahlzeiten
Nachteil
  • Länge der Mahlzeit
  • Abhängigkeit der Mutter
  • Vermehrtes Völlegefühl und Unruhe
  • Untrainierte Muskulatur
  • Übergewicht

Beim Stillen nutzt das Baby anfangs die beschriebene unbewusste Technik. Dabei werden verschiedene Muskeln und Nerven im Gesicht und anderen Körperregionen trainiert, die auch für die spätere Entwicklung (zum Beispiel: Kieferknochen ⇒ Gebiss und Zunge ⇒ Sprache) wichtig sind. Außerdem bedeutet Stillen körperliche Anstrengung für das Baby. Es wird schneller satt, müde und befriedigt.

Merke: Die natürliche Form der Nahrungsaufnahme am Beginn des Lebens wird durch Reflexe gesteuert und entlastet das Baby.

Stillkinder öffnen weit den Mund, um viel Brustgewebe hinein zu bekommen und erzeugen dann das Vakuum, um die Milch aus der Brust zu saugen. Gibt man ihnen die Flasche, versuchen es die meisten genauso und sind frustriert vom Fremdkörper in ihrer Mundhöhle. Der passt sich im Gegensatz zur Brustwarze in keiner Form an, sondern bleibt starr. Hinzu kommt, dass manche Kinder einfach keine Latexsauger (die gelben) mögen. Sie bevorzugen durchsichtige, zum Beispiel Nuk-Sauger.

Baby trinkt aus Flasche - Saugverwirrung

Übrigens: Auch wenn Zahnärzte noch so viel Reklame machen, es gibt keinen einzigen kiefergerechten Sauger! Sie alle verformen durch den entstehenden Saugdruck den sich entwickelnden und wachsenden Kiefer, Daumen zum Lutschen genauso.

Baby: „Ich bin doch nicht zum Arbeiten auf diese Welt gekommen!“

Bemerken Stillkinder, dass Trinken auch ohne Anstrengung geht, bevorzugen viele recht schnell diese neue und bequemere Art der Nahrungsaufnahme. Beim nächsten Mal an der Brust, kann es ernsthaften Protest geben. Manchmal verweigern sie dann die plötzliche Anstrengung – es kommt zu einer Saugverwirrung.

Faulheit stärkt die Glieder – im wahrsten Sinne des Wortes

Bei der Ernährung mit einer Flasche dagegen braucht das Baby nur zu schlucken. Es wird praktisch zur Faulheit erzogen. Es trinkt auch häufig viel mehr, als es wirklich benötigt. Durch diese Form der Fehlernährung wird bei vielen Kindern die Grundlage für ihr Übergewicht beim Schulbeginn gelegt. Allerdings gibt es inzwischen Flaschensauger, die das Saugen erschweren und dadurch einen gewissen Trainingseffekt der Muskulatur erzielen.

Häufig bemerkt man die untrainierte Muskulatur eines Flaschenkindes auch am geöffneten Mund. Der wiederum ist die Eintrittspforte für häufige Erkältungen und Erkrankungen der oberen Atemorgane. Beobachten Sie einfach einmal, wie viele Kinder mit offenem Mund herumlaufen!

Flaschenkinder sind von Anfang daran gewöhnt, ihre Nahrung schnell und ohne große Mühe zu erhalten. Beschließt die Mutter jedoch zu stillen, kann es unterschiedliche Reaktionen geben:

  • Manche Babys öffnen einfach nur ihren Mund und wundern sich, warum nichts hineinfließt. Das gibt natürlich Ärger!
  • Andere haben überhaupt kein Problem, an der Brust zu stillen und tun so, als ob sie nie etwas anderes gemacht hätten.

Wie zeigt sich eine Saugverwirrung?

  • Das an die Flasche gewöhnte Kind öffnet erwartungsvoll den Mund und wundert sich, dass nicht einfach die Milch hineinfließt und es nur schlucken muss.
  • Danach schreit es ärgerlich die Brust an, weil es nicht weiß, dass es erst ein Vakuum aufbauen muss, ehe die Milch fließt. Diese Anstrengung war ja beim Flaschentrinken nicht nötig.
  • Stillkindern ahnen oft nicht, dass Milch aus dem Sauger fließt und sie nur schlucken müssen. So verschlucken sie sich möglicherweise, wenn die Löcher im Sauger zu groß sind und dadurch plötzlich mehr Milch zur Verfügung steht, als sie es gewöhnt sind.
  • Manche Kinder drehen auch empört ihren Kopf zur Seite oder wehren sich mit der ganzen Kraft ihres kleinen Körpers gegen die Flasche oder im anderen Fall gegen die Brust. Sie Verweigern unter Umständen vorübergehend die Nahrungsaufnahme total.
  • Für die Mutter, die sich vielleicht Entlastung erwartet hatte, kann sich die ganze Aktion leicht in Stress verwandeln. Wenn ihr Baby mit der Umstellung nicht gut klar kommt, macht sie sich Gedanken und entwickelt manchmal sogar unbegründete Schuldgefühle. Die können der (psychische) Auslöser für einen Milchstau werden. Dabei wird die Milch, die ihre Brust bildet, durch das Stresshormon Adrenalin nicht abgegeben.

Baby schreit - Saugverwirrung

Nach Aussage von Prof. Dr. Abou Dakn schaffen die meisten Babys (ca. 70%) den Wechsel der Ernährungsquellen ohne größere Probleme. Die restlichen 30% können dabei eine Saugverwirrung entwickeln.

Rückblende: Schau mal, Baby lutscht an seinem Daumen!

Ein Baby übt schon im 2. Schwangerschaftsdrittel (ungefähr um die 24. Woche) zu saugen. Dabei hilft ihm der angeborene Saugreflex. Er ist unbewusst und tritt auf, wenn die Lippen oder die Zungenspitze des Babys berührt werden. Babys im Bauch stimulieren sich selbst dazu, indem sie beispielsweise ihren Daumen in den Mund stecken. Das kann Frau dann sehr gut während einer Ultraschalluntersuchung beobachten. Damit ist eine gute Grundlage für das erste Stillerlebnis innerhalb der ersten Stunde nach der Geburt gelegt.

Andere „nützliche“ Reflexe zum Start

Das Baby nutzt dazu einen anderen angeborenen Reflex, um an die Brust seiner Mama zu gelangen, den Schreitreflex. Wenn es die Brust erreicht hat und seine Wange berührt wird, setzt der Suchreflex ein. Das Baby dreht dabei seinen Kopf in Richtung der Brustwarze und öffnet weit seinen Mund. Setzt, wie erwähnt, der Saugreflex bei Berührung ein, dockt sich Baby an und braucht nur noch zu schlucken, um sich für „Red Bull für Neugeborene“ zu begeistern.

Sie können sich noch einmal diese tolle Abfolge, die im Normalfall kein Baby zu lernen braucht, ansehen:

  • Schreitreflex (nach der Geburt)
  • Suchreflex (vor dem Stillen)
  • Saugreflex (Voraussetzung zum Stillen)
  • Schluckrelfex (beim Stillen)

Laut Wikipedia ist ein Reflex

„eine unwillkürliche, rasche und gleichartige Reaktion eines Organismus auf einen bestimmten Reiz.“

Dieser Reiz wird über das Nervensystem vermittelt. Deshalb werden bei der sogenannte U2 eine Anzahl von angeborenen, unbewussten Reflexen überprüft. Ihr Vorhandensein schützt das Baby und hilft ihm, sich schnell an seine neue Lebensumwelt anzupassen. Später lernt das Baby ganz bewusst zu saugen. Bei den meisten Babys erlischt der angeborene Saugreflex etwa um den ersten Geburtstag herum. Er ist dann nicht mehr lebensnotwendig, weil der Säugling auch andere Nahrung (Beikost) zu sich nehmen kann.

Acht Tipps zur ersten Hilfe für Mama

Weinende oder schreiende Babys sind absolut nichts für Mutters Nervenkostüm. Sie brauchen aber gute Nerven, wenn Sie Ihrem kleinen Schatz helfen möchten! Hier sind ein paar Tipps:

TIPP 1
Bevor Sie sich mit einem Wechsel von der Brust auf die Flasche beschäftigen, sollten Sie vier bis sechs Wochen ausschließlich gestillt haben.
Ihr Baby beherrscht dann eine Trinktechnik sicher und kann sich auf Neues leichter einlassen.

Tipp 2
Kuscheln Sie ausführlich (Haut-zu-Haut-Kontakt), bevor Sie mit dem Stillen beginnen!
Dabei wird das Kuschelhormon Oxytocin frei gesetzt, das auch für den Milchspendereflex zuständig ist. Ihre Milch fließt leichter, und das Baby muss sich nicht so sehr anstrengen.

Baby Mutter kuscheln

TIPP 3
Verlieren Sie nicht die Ruhe, sondern sprechen Sie beruhigend mit Ihrem Baby, etwa so:
„Schatz, ich weiß, dass du jetzt ganz ärgerlich bist, weil du dich mehr anstrengen musst. Du bist aber sehr klug und wirst schnell lernen, wie schön es an Mamas Brust ist. Komm, ich weiß genau, dass du das schon kannst. Komm, zeig es mir!“

TIPP 4
Bleiben Sie konsequent, auch wenn Ihr Baby protestiert!
Wenn Sie stillen wollen, füttern Sie nicht mit der Flasche nach. Wenn das Baby Ihre Brust anschreit und der Hunger groß genug ist, wird es stillen. Füttern Sie nach, lernt Ihr Baby sehr schnell, dass lautstarker Protest zum Ziel führt und es sich nicht mehr anstrengen muss.

TIPP 5
Achten Sie auf die Stillzeichen des Babys und warten Sie nicht erst, bis es vor Hunger schreit. Die Zunge liegt dann nicht auf der unteren Kieferleiste und versperrt praktisch die Mundhöhle, die ja das Brustgewebe aufnehmen soll.

TIPP 6
Loben Sie Ihr Baby für die vollbrachte Leistung!

TIPP 7
Lassen Sie eine andere (vertraute) Person Ihr Baby mit der Flasche füttern, anfangs am besten in Ihrer Abwesenheit.
Bemerkt Sie Ihr Baby oder riecht es den Duft Ihrer Milch, wird es protestieren.

TIPP 8
Erhält das Baby die Flasche, soll es auf den Arm genommen werden.
Körperkontakt gibt dem Baby Sicherheit. Eine halb aufrechte Lage verbessert die Nahrungsaufnahme. Bitte lassen Sie das Baby im Neugeborenenalter (Geburt bis 3. Lebensmonat) nicht sitzen. Die Wirbelsäule ist in diesem Entwicklungsabschnitt noch nicht belastungsfähig.

Abschließend wünsche ich allen cleveren Babys und ihren tapferen Müttern gute Erfolge beim großen gemeinsamen Lernprojekt!

Quellen:
https://medlexi.de/Saugreflex
https://de.wikipedia.org/wiki/Reflex
http://vmrz0100.vm.ruhr-uni-bochum.de/spomedial/content/e866/e2442/e8742/e8749/e8757/e8776/index_ger.html
Aufzeichnungen aus der Weiterbildung zur Still- und Laktationsberaterin

Hier schreibt Hebamme
Edeltraut Hertel ist Diplom-Medizin-Pädagogin, Hebamme und Krankenschwester. Sie arbeitete im In- und Ausland (8 Jahre Tansania, Katastropheneinsätze in Mazadonien, Sudan und Eritrea), und war fast 15 Jahre als freiberufliche Hebamme in Glauchau und Umgebung tätig. Von 2012 bis 2017 unterrichtete sie an der Med. Berufsfachschule der Klinikum Chemnitz gGmbH. Seit Sept. 2017 erfreut sie sich an ihrem Ruhestand, gibt aber gern aus ihrem Wissens- und Erfahrungsschatz an Wissensdurstige weiter.
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Edeltraut Hertel ist Diplom-Medizin-Pädagogin, Hebamme und Krankenschwester. Sie arbeitete im In- und Ausland (8 Jahre Tansania, Katastropheneinsätze in Mazadonien, Sudan und Eritrea), und war fast 15 Jahre als freiberufliche Hebamme in Glauchau und Umgebung tätig. Von 2012 bis 2017 unterrichtete sie an der Med. Berufsfachschule der Klinikum Chemnitz gGmbH. Seit Sept. 2017 erfreut sie sich an ihrem Ruhestand, gibt aber gern aus ihrem Wissens- und Erfahrungsschatz an Wissensdurstige weiter.
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