Künstliche Befruchtung: bis zu welchem Alter? Gibt’s eine Altersgrenze?

Oftmals hört oder liest man von ausländischen Frauen, die mit 50 oder gar 60 Jahren durch künstliche Befruchtung (noch einmal) Mutter geworden sind. Doch ist dies medizinisch und ethisch überhaupt vertretbar? Gibt es Altersgrenzen für künstliche Befruchtung und wenn ja, warum? Um dieses Thema geht es in diesem Artikel.

Kinderwunsch

In Deutschland leiden etwa 15% aller Paare unter ungewollter Kinderlosigkeit. Genau diesen Paaren bietet eine künstliche Befruchtung die Chance, bald ihr lang ersehntes leibliches Kind in ihren Armen zu halten. Doch für die künstliche Befruchtung gelten medizinische Voraussetzungen. Welche das sind und welche Rolle besonders das Alter dabei spielt, erfahren Sie im folgenden Text.

Video-Tipp

Was ist künstliche Befruchtung?

Künstliche Befruchtung ist die Herbeiführung einer Schwangerschaft mittels medizinischer Methoden. Zu diesen Methoden zählen:

  • IUI – intrauterine Insemination (Samenübertragung in die Gebärmutter)
  • IVF – In-vitro-Fertilisation (Befruchtung im Reagenzglas)
  • ICSI – intracytoplasmatische Spermieninjektion (Einbringen des Spermiums ins Innere der Eizelle)

Weshalb spielt bei Kinderwunsch besonders das Alter der Frau eine Rolle?
Das Alter einer Frau hat Einfluss auf ihre Fortpflanzungsfähigkeit. Deshalb gibt es auch den Spruch: „Ich höre meine biologische Uhr ticken“. Ab der Pubertät produzieren die Eierstöcke unter Hormoneinfluss monatlich befruchtungsfähige Eier, dies aber nur bis zu einem gewissen Alter. Danach kommt die Frau in das Stadium der Wechseljahre (Klimakterium), in denen die Hormonproduktion reduziert und damit das Heranreifen von Eizellen gestoppt wird. Dies passiert etwa ab einem Alter von 45 Jahren. In dieser Zeit hat die Frau zwar oft noch Menstruationen, aber überwiegend ohne Eisprünge in der Zyklusmitte. Spontan entstehende Schwangerschaften treten unter diesen Gesichtspunkten nur noch sehr selten ein. Bis zum 55. Lebensjahr sistiert die ovarielle Hormonproduktion vollständig, die Frau gelangt in die Menopause (die letzte zyklusbedingte Blutung). Damit ist die Fruchtbarkeit schließlich erloschen.

Gibt es eine Altersgrenze für eine künstliche Befruchtung?

Ja, es gibt eine Altersgrenze. Denn die Chancen, dass bei künstlicher Befruchtung eine Schwangerschaft eintritt, nimmt mit zunehmendem Lebensalter der Frau ebenso ab wie die natürliche Fruchtbarkeit. Im 40. Lebensjahr liegt die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen künstlichen Befruchtung statistisch bei nur 18% und sinkt danach rapide ab. Deshalb stellt das Alter der Frau für die Behandlung, die mit psychischer Belastung, medizinischen Risiken und hohen Kosten verbunden ist, einen limitierenden Faktor dar.

Arztbesuch

„Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung dürfen nur durchgeführt werden, wenn hinreichende Aussicht besteht, dass durch die gewählte Behandlungsmethode eine Schwangerschaft herbeigeführt wird.“ (Zitat aus „Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte- und Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen
Befruchtung“)
Und „hinreichend Aussicht“ besteht, wenn die statistische Wahrscheinlichkeit nicht niedriger als bei eben diesen besagten 18% liegt, denn in diesen Fällen überwiegt das Risiko einer Behandlung deutlich die Erfolgsaussichten einer späten Schwangerschaft.

Indikationen für eine künstliche Befruchtung

  1. Wenn innerhalb von 2 Jahren bei regelmäßigem Geschlechtsverkehr (ohne Verhütung) keine Schwangerschaft eintritt, gilt ein Paar als unfruchtbar (Definition der Weltgesundheitsorganisation). Dann gibt es die Möglichkeit, den Weg der künstlichen Befruchtung zu beschreiten.
  2. Für Patienten, die wegen eines Krebsleidens eine Therapie erhalten, die zur Unfruchtbarkeit führen kann, besteht später die Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung nach vorherigem Maßnahme-Plan (rechtzeitige Entnahme und Konservierung der Ei-/Samenzellen).
  3. Für homosexuelle Paare besteht ebenfalls die Möglichkeit einer künstlichen Befruchtung.

Risiken einer künstlichen Befruchtung

Eine künstliche Befruchtung ist ein massiver Eingriff in die natürlichen Abläufe des Körpers. Trotz engmaschiger medizinischer Überwachung resultieren daraus Gefahren für die Frau:

  • Nebenwirkungen der Hormonbehandlung (Übelkeit, Blutgerinnungsstörungen, Überstimulation)
  • Schmerzen
  • Mehrlingsschwangerschaften (erhebliches Gesundheitsrisiko für Schwangere und Kinder)
  • Infektionen
  • Verletzungen an inneren Organen (Blase, Darm)
  • Erhöhtes Risiko für Fehlgeburten

Bis zu welchem Alter werden in Deutschland künstliche Befruchtungen durchgeführt?

Bei Frauen ist eine Behandlung bis zum 40.Lebensjahr sinnvoll. Sowohl Ärzte als auch Krankenkassen sind an die Einhaltung dieses Altersrahmens gebunden, obwohl bis zum 45. Lebensjahr begründete Ausnahmeregelungen möglich, aber eher unwahrscheinlich sind.

künstliche Befruchtung

Weitere Voraussetzungen für eine künstliche Befruchtung

Neben dem Höchstalter für die Frau sollten noch weitere Bedingungen vor einer künstlichen Befruchtung erfüllt sein:

  • Vorherige ausführliche Beratung über Risiken, Komplikationen und Alternativen (Adoption…)
  • Verheiratetes Paar (seit 2012 in manchen Bundesländern auch für eheähnliche Lebenspartnerschaften möglich!)
  • Alter beider Partner mind. 25 Jahre
  • Höchstalter beim Mann 50 Jahren
  • negativer HIV-Test
  • Rötelimmunität der Frau
  • von der Krankenkasse genehmigter Behandlungsplan (wegen Kostenübernahme)

Kostenübernahme bei Künstlicher Befruchtung

Die Kosten werden nach Erstellung eines Behandlungsplanes und nach Prüfung der hinreichenden „Erfolgsaussichten“ zu 50% von den Kassen übernommen. Die einzelnen Behandlungsversuche sind je nach Methode jedoch in ihrer Anzahl begrenzt. Manche Bundesländer bezuschussen seit 2012 die Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung mit 25% zusätzlich (zum Kassenanteil dazu).

Gibt es im Ausland andere Regelungen?

In anderen Ländern sind oft andere Gesetze zur künstlichen Befruchtung gültig. Es gibt abweichende Bestimmungen beim Alter der Frau, bei homosexuellen Paaren, bei alleinstehenden Frauen, bei der Anzahl der Befruchtungsversuche, bei der Anzahl der transferierten Embryonen, bei den Richtlinien bezüglich Samenspende und Vaterschaft, Leihmutterschaft und so weiter. Deshalb gibt es einen regelrechten Auslands-Tourismus die künstliche Befruchtung betreffend. Bedenken sollte man jedoch, dass die strengen gesetzmäßigen Bestimmungen in Deutschland dem Schutz der Frau, dem Schutz des (ungeborenen) Kindes und dem Schutz der Familie dienen. In Deutschland sind hierfür rahmengebend:

  • Strafrecht – hier vorrangig im Embryonenschutzgesetz beinhaltet
  • Ärztliches Standesrecht – in jeweiligen Regeln der Landesärztekammern festgeschrieben
  • Qualitätssicherung – Sammlung der anonymisierten Daten im Deutschen IVF-Register
  • Krankenkassenrecht – im Sozialgesetzbuch V in den §§ 27 und 27a („Künstliche Befruchtung“) geregelt sowie in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen

Ich wünsche allen ungewollt kinderlosen Paaren viel Hilfe und Unterstützung und Glück bei ihrer Zukunftsplanung.

Quellen:
https://sozialversicherung-kompetent.de/krankenversicherung/leistungsrecht/220-altersgrenze-kuenstliche-befruchtung-verfassungsgemaess.html
https://www.aerzteblatt.de/archiv/33722/Richtlinien-des-Bundes­aus­schusses-der-Aerzte-und-Krankenkassen-ueber-aerztliche-Massnahmen-zur-kuenstlichen-Befruchtung-(-Richtlinien-ueber-kuenstliche-Befruchtung-)
http://www.künstliche-befruchtung.de/pages/kosten.php
https://flexikon.doccheck.com/de/Klimakterium
https://www.netdoktor.de/kinderwunsch/kuenstliche-befruchtung/
https://www.frauenaerzte-im-netz.de/familienplanung-verhuetung/ungewollt-kinderlos-fruchtbarkeitsstoerungen/#c933
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/unterstuetzung-fuer-paare-bei-ungewollter-kinderlosigkeit/100298?view=DEFAULT

Diplom-Medizin-Pädagogin und Hebamme
Wanda Unger ist Diplom-Medizin-Pädagogin und Hebamme. Seit vielen Jahren begleitet sie junge Familien durch die Zeit der Schwangerschaft bis zum 1. Lebensjahr ihrer Babys. Für unser Portal schreibt sie Fachtexte rund um Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett, Stillzeit und Babypflege. Als Mutter und Hebamme ist es ihr wichtig, den Familien den Start in den Alltag mit dem neuen Familienmitglied zu erleichtern.
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Wanda Unger ist Diplom-Medizin-Pädagogin und Hebamme. Seit vielen Jahren begleitet sie junge Familien durch die Zeit der Schwangerschaft bis zum 1. Lebensjahr ihrer Babys. Für unser Portal schreibt sie Fachtexte rund um Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett, Stillzeit und Babypflege. Als Mutter und Hebamme ist es ihr wichtig, den Familien den Start in den Alltag mit dem neuen Familienmitglied zu erleichtern.
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