In diesem Artikel
Manche „frisch gebackene“ Mutter erklärt sich vielleicht die Mühen der Geburt, wenn sie die Größe des kindlichen Kopfumfanges erfährt. „Oles Kopfumfang betrug
39 cm,“ liest Hebamme Jennifer aus dem Kinderuntersuchungsheft beim ersten Hausbesuch. „Normalerweise beträgt er etwa 34-35 cm. Da hast du dich aber sicher sehr angestrengt!“
Wen interessiert der Kopfumfang?
- Kinderärzte, die dieses Maß zur Reifebestimmung eines Neugeborenen benötigen
- Hebammen, die es mit dem Zentimetermaß ausmessen
- Hebammenschülerinnen, die die genauen Abmessungen der drei Kopfumfänge wissen und definieren müssen
- Geburtshelfer, die bei Schwierigkeiten während der Geburt des Babys eingreifen.
Was versteht man unter Kopfumfang?
Man unterscheidet drei davon:
1. Der gerade oder große Kopfumfang, das sogenannte Hutmaß, verläuft von der unbehaarten Stelle zwischen den Augenbrauen zum entferntesten Punkt des Hinterhauptes und beträgt 34-35 cm. Er ist neben Gewicht und Länge dokumentationspflichtig und wichtig für die Reifebestimmung eines Neugeborenen.
modifiziert nach Quelle: Stiefel, A., Geist, C., Harder,U., Hebammenkunde, 5. überabeitete Aufl. , S.279, Abb. 23-15a, Hippokrates Verlag Stuttgart, 2013
2. Der kleine schräge Umfang verläuft vom Nacken über die Mitte der großen Fontanelle und beträgt ca. 32-33 cm.
modifiziert nach Quelle: Pschyrembel, Dudenhausen, Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen, 15. Aufl., S. 178, Abb. 77, de Gruyter, Berlin New York, 1986
3. Der große schräge Umfang verläuft über die Kinnspitze zum entferntesten Punkt des Hinterhauptes und beträgt ca. 39 cm.
modifiziert nach Quelle: Pschyrembel, Dudenhausen, Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen, 15. Aufl., S. 178, Abb. 79, de Gruyter, Berlin New York, 1986
Die folgende Tabelle fasst noch einmal die bisherigen Kennziffern zusammen:
Kopfumfänge | Maß |
Gerader (großer) Kopfumfang | 34-35 cm (Hutmaß) |
Kleiner schräger Kopfumfang | 32-33 cm |
Großer schräger Kopfumfang | 39 cm |
Die beiden schrägen Kopfumfänge werden statistisch nur selten erfasst, sind aber für die Forschungen und die Geburtsmechanik von Bedeutung. Bei einer Fehleinstellung des Kopfes im Becken, die z.B. von der Beckenform der Mutter beeinflusst wird, werden sie bedeutsam.
Merke: Grundsätzlich ist das Verhältnis von mütterlichem Becken und kindlichem Kopf für einen normalen Geburtsvorgang wichtig. Die Anpassungsfähigkeit beider ist enorm!
Der Kopfumfang bei der Geburt
Während man noch zu meiner Ausbildungszeit als Hebamme (1978/88) vom Baby als dem „Geburtsobjekt“ oder der „Geburtswalze“ sprach, hat sich die Ansicht vom passiven Kind während der Geburt gründlich geändert. Heute weiß man, dass das Baby sogar einen sehr aktiven Beitrag zum Geborenwerden leistet. Während es die verschiedenen Beckenebenen passiert, passt sich die Kopfform dem mütterlichen Geburtsweg an. Das Baby verändert dabei seinen jeweiligen Kopfumfang. Das geschieht beispielsweise durch
- das Beugen des Kopfes. Damit übernimmt ein anderer Bereich des Köpfchens die Führung im folgenden Beckenabschnitt, der zu passieren ist. Das Baby rutscht tiefer ins Becken hinein.
- das Übereinanderschieben der Schädelknochen. Damit wird der jeweilige Kopfumfang verringert.
- das Überstrecken des Kopfes beim Austritt aus der Scheide. Die Nackenhaargrenze des Babys wird zum Stemmpunkt gegen die mütterliche Schambeinfuge. Damit dreht sich der große schräge Umfang des Kopfes um die Schambeinfuge herum. Nacheinander werden geboren:
- Hinterhaupt
- Vorderhaupt
- Stirn
- Gesicht
- Kinn
Wenn der Kopfumfang zu klein ist?
Der „Normalumfang“ bei einem reifen Neugeborenen beträgt, wie bereits erwähnt,
34-35 cm. Bei einem zu kleinen Kopfumfang,
- schaut sich der Kinderarzt zuerst die Eltern des Babys an und zieht dann mögliche Rückschlüsse auf ein vererbungsmäßiges Muster.
- Es könnte auch sein, dass das Baby als Frühchen, also vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche auf die Welt kam. Dann ist es einfach noch nicht reif (s. Kopfumfang als Reifezeichen).
- kann es einfach an der Rasse liegen, z.B. bei Asiaten
- Seltener ist eine Fehlbildung des Schädels für einen zu kleinen Kopfumfang verantwortlich (Häufigkeit 1,6 auf 1000 Geburten). Entweder ist sie erblich bedingt, z.B. durch Chromosomenschäden oder durch fruchtschädigende Einflüsse während der Schwangerschaft (Virusinfektionen, Alkohol) entstanden.
Und wenn er zu groß ist?
- schaut sich der Kinderarzt zuerst die Eltern des Babys an, zieht dann mögliche Rückschlüsse auf ein vererbungsmäßiges Muster und beobachtet einfach die weitere Entwicklung des Babys oder beruhigt die Eltern.
- muss das außer einer möglicherweise etwas verlängerten oder erschwerten Geburt keinerlei weitere Auswirkungen haben
- können verschiedene Ursachen dafür in Frage kommen, wie z.B.
- unentdeckter Diabetes mellitus der Mutter
- Entzündung des Gehirns oder der Hirnhäute
- Infektionen in der Schwangerschaft (Toxoplasmose)
- Hirnblutungen (während der Geburt)
- vorzeitige Verknöcherung der Fontanellen
- Missbildungen (Deformitäten), wie z.B. ein Wasserkopf
In solch einem Fall wird der Kopfumfang vom Kinderarzt regelmäßig kontrolliert und entsprechend der Ursache behandelt.
Was mich beruhigt
Es ist schön zu wissen, dass
… weder das Wissen um Kopfumfänge noch der Beckenaufbau vor einer Geburt
abgeprüft werden
… die Mutter ab einem bestimmten Punkt im Geburtsprozess unbewusst und
folgerichtig reagiert
… das Baby seinen Weg kennt, um auf die Welt zu kommen
… 94% aller Geburten völlig normal verlaufen
… kein Lehrbuch der Geburtshilfe das Wunder einer Geburt beschreiben kann.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen das Beste: eine glückliche Geburt!
Quellen:
– Pschyrembel,W. , Dudenhausen, J.W.: Praktische Geburtshilfe mit geburtshilflichen Operationen, 15. Aufl., S. 178, Abb. 77, De Gruyter, Berlin New York, 1986
– Stiefel, A., Geist, C., Harder,U., Hebammenkunde, 5. überabeitete Aufl. , S. 279,
Abb. 23-15a, Hippokrates Verlag Stuttgart, 2013
https://flexikon.doccheck.com/de/Mikrozephalie