In diesem Artikel
Bevor wir uns allerdings diesen Gesichtspunkten widmen, ist es interessant einen Blick auf die Motive zu werden, die Menschen zum Kirchenaustritt bewegen. Ein Religionssoziologe der Universität Münster sieht einen Grund für die schwindende Bedeutung der Kirche im hohen Wohlstands- und Bildungsniveau und der guten Absicherung, so wären etwa die sozialen und seelsorglichen Angebote der Kirche einfach nicht mehr gefragt.
Kirchenaustritt – Gründe
Auch eine vom Bistum Essen in Zusammenarbeit mit der Universität Siegen und der CVJM-Hochschule Kassel durchgeführte Studie ging dieser Frage nach und stellte sie Menschen, die den Kirchenaustritt bereits vollzogen hatten. Die Kirchensteuer entpuppt sich dabei in den meisten Fällen zwar als Auslöser jedoch eher weniger als tatsächlicher Ursache für den Kirchenaustritt. Diese finden sich eher
- in der Entfremdung zwischen Gläubigen und der Institution Kirche
- im von der Kirche propagierten inadäquaten Weltbild (Bild der Frau, Zölibat, Homosexualität)
- in der Arroganz der Kirchenoberen im Zuge vieler Skandale
- in der fehlenden Glaubwürdigkeit
Insbesondere im Alter von 23-35 Jahren, das heißt auch bei vielen werdenden Familien, liegt die Austrittsquote sehr hoch. Hier realisieren viele Menschen beim Blick auf den Lohnzettel erstmals, dass die Kirche sie tatsächlich Geld kostet.
Kirchenaustritt – Ablauf
In Deutschland herrscht nach Artikel 4 Abs. 1, 2 des Grundgesetzes (GG) Religionsfreiheit. Im Umkehrschluss besteht deshalb auch negative Religionsfreiheit. Der Staat ist also verpflichtet auch anzuerkennen, wenn jemand eben nicht (mehr) einer bestimmten Religion angehören möchte. Damit dürfen auch keine Rechtsfolgen (Kirchensteuer, zwingende Teilnahme am Religionsunterricht) mehr an die Mitgliedschaft geknüpft sein.
Wie der Kirchenaustritt vollzogen werden kann, regeln die jeweiligen Kirchenaustrittsgesetze der Bundesländer. Der Kirchenaustritt muss persönlich vor dem zuständigen Standesamt bzw. Amtsgericht erklärt werden. Nur in Bremen kann er direkt bei Kirche erfolgen.
Tipp: Alternativ ist auch die Abgabe einer schriftliche Erklärung ausreichend. Bitte beachten Sie jedoch: Da diese notariell beglaubigt sein muss, entstehen Ihnen hier zusätzliche Kosten.
Um den Kirchenaustritt erfolgreich zu vollziehen, müssen Sie Folgendes beachten:
- Vorlage des Personalausweises/Reisepasses mit letzter Meldebescheinigung
- Vorlage des Familienbuches für Verheiratet/Geschiedene
- Kosten der Verwaltungsgebühren zwischen 5,50 € und 60€ (je nach Bundesland und Amt, nur in Brandenburg kostenlos)
Kinder unter 12 Jahren sind in ihrer Religionszugehörigkeit an ihre Eltern gebunden. Erst ab 14 Jahren gelten sie als religionsmündig und dürfen den Schritt vollziehen. Dazwischen kann dieser nur mit Zustimmung der Erziehungsberechtigten erfolgen.
Haben Sie Ihren Austritt aus Kirche vollzogen, werden
- die Religionsgemeinschaft,
- das Einwohnermeldeamt,
- sowie das Finanzamt
darüber informiert. Insbesondere Letzteres ist entscheidend, da dort die Streichung der Religionszugehörigkeit von der Lohnsteuerkarte erfolgt. Danach zahlen die Ausgetretenen keine Kirchensteuer mehr.
Kirchenaustritt – Konsequenzen
Was die positiven bzw. negativen Folgen eines Kirchenaustritts betrifft, bewegen wir uns bei diesem Thema auf dünnem Eis. Denn für viele handelt es sich hierbei eher um eine emotionale Entscheidung, deren Folgen in einem herkömmlichen Sinne schwerlich greifbar sind. In diesem Zusammenhang wird beispielsweise häufig – von beiden Seiten – von größerer persönlicher Freiheit gesprochen.
Vorteile
Einer der Vorzüge des Kirchenaustritts lässt sich jedoch sehr gut in Zahlen fassen: der Wegfall der Kirchensteuer. Diese ist, wie bereits erwähnt, in den meisten Fällen zwar nicht die Ursache, aber dennoch der Auslöser für den Schritt.
Nach Art. 140 GG sind Religionsgemeinschaften als Körperschaften öffentlichen Rechts berechtigt, Steuern zu erheben. Die Kirchensteuer errechnet sich über die Einkommensteuer. In Bayern und Baden-Württemberg liegt der Steuersatz für Mitglieder einer Konfession bei 8 Prozent, im restlichen Bundesgebiet bei 9. Unter dem Strich kann hier für ein Ehepaar mit mittlerem Einkommen, nach Berücksichtigung aller Steuervergünstigungen (z.B. Sonderausgaben-Pauschbetrag von 36 Euro pro Person und Jahr), eine Ersparnis von mehreren Hundert Euro pro Jahr stehen.
Achtung: Auch wenn die Austrittserklärung umgehend wirksam wird, endet die Kirchensteuerpflicht erst am Ende des Austrittsmonats bzw. je nach Bundesland sogar auch erst einen Monat später.
Mit dem Austritt aus der Religionsgemeinschaft erlischt außerdem die Pflicht zur Teilnahme am Religionsunterricht. Insbesondere für Heranwachsende kann das positiv und befreiend wirken, falls sie sich nicht (mehr) von ‚ihrer‘ Religion angesprochen fühlen.
Aus staatsrechtlicher Sicht ergeben sich hier also durchaus Vorteile bei einem Kirchenaustritt.
Nachteile
Im Arbeitsrecht bzw. kirchlichen Recht kann sich ein Kirchenaustritt jedoch auch negativ auswirken. Dies sollten Sie vor einem Austritt unbedingt bedenken.
Ist ihr Arbeitgeber beispielsweise eine kirchliche Institution oder in kirchlicher Trägerschaft (Caritas, Diakonie, Krankenhäuser, Kindergärten) kann ein solcher Schritt ernsthafte Konsequenzen haben. In den meisten Fällen ist das Arbeitsverhältnis an die Mitgliedschaft in der Kirche gebunden, weswegen das Auflösen der Mitgliedschaft auch oft mit einer Kündigung einhergeht.
Aus kirchenrechtlicher Sicht ergibt sich (zwangsläufig) ein deutlich längerer Katalog an negativen Auswirkungen. So erließ die Deutsche Bischofskonferenz 2012 ein „Allgemeines Dekret zum Kirchenaustritt“. Darin werden folgende Rechtsfolgen für eine aus der Kirche ausgetretene Person aufgeführt:
- Ausschluss von den Sakramenten (Ausnahme: Todesgefahr),
- Ausschluss vom Taufpaten- und vom Firmpatenamt,
- Verlust der Mitgliedschaft in pfarrlichen und in diözesanen Räten (z. B. Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand bzw. Vermögensverwaltungsrat, Diözesanpastoralrat etc.),
- Ausschluss von kirchlichen Ämtern und Funktionen,
- Verlust des aktiven und passiven Wahlrechts in der Kirche,
- Ausschluss der Mitgliedschaft in öffentlichen kirchlichen Vereinen,
- kirchliche Eheschließung nur mit Erlaubnis des Ortsordinarius,
- Ausschluss vom kirchlichen Begräbnis, soweit nicht vor dem Tod irgendein Zeichen der Reue vorgelegen hat.
Bevor man diesen Weg beschreitet, sollte man folglich mit sich selbst ausmachen, inwieweit man bereit ist auf diese Rechte, etwa die Möglichkeit der Taufe/Kommunion/Konfirmation für die Kinder, einer kirchlichen Trauung bzw. Beerdigung, zu verzichten. Es handelt sich hierbei letztendlich also immer um eine sehr persönliche und intime Entscheidung.
Tipp: Der Kirchenaustritt muss übrigens kein auf Nimmerwiedersehen sein. Ein Wiedereintritt ist oft problemlos möglich, beispielsweise wenn der Betroffene seine Glaubensüberzeugung wiedergefunden hat. Dazu müssen Sie sich jedoch direkt an die Kirche und nicht an eine staatliche Behörde wenden.
Quellen:
https://www.deutschlandfunk.de/kirchenmitgliedschaft-zu-teuer-zu-altmodisch-zu.886.de.html?dram:article_id=411760
https://www.focus.de/politik/deutschland/tid-34547/massiver-mitgliederschwund-tebartz-effekt-die-deutschen-stroemen-aus-der-kirche-finanzieller-aspekt-kirchensteuer-sparen_aid_1151446.html
https://www.kirchenaustritt.de/
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/4052/umfrage/kirchenaustritte-in-deutschland-nach-konfessionen/
https://de.wikipedia.org/wiki/Kirchenaustritt
https://www.zeit.de/2018/08/kirchenaustritt-katholikentag-studie-gruende