In diesem Artikel
Personen, die eine Kindeswohlgefährdung vermuten, befinden sich oftmals in einem moralischen Dilemma. So fragen sie sich zwangsläufig, ob ihr Verdacht berechtigt ist und im Falle einer falschen Verdächtigung eventuelle Konsequenzen auf sie zukommen.
Grundsätzlich aber gilt: Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig anrufen.
Wen Sie kontaktieren sollten und welche Informationen Sie an welche Stellen weiterleiten sollten, erfahren Sie in unserem Beitrag. Bevor konkrete Maßnahmen aufgezeigt werden, soll zunächst jedoch der Begriff der „Kindeswohlgefährdung“ genauer unter die Lupe genommen werden. Dazu werden folgende Fragen beantwortet: Was versteht man konkret darunter? Wie erkenne ich sie? Welche Anzeichen gibt es dafür?
Kindeswohlgefährdung
Ist das Wohl des Kindes gefährdet, spricht man von Kindeswohlgefährdung. So weit, so gut. Jedoch handelt es bei Kindeswohl um einen sogenannten „unbestimmten Rechtsbegriff“, d.h. er wird nirgendwo definiert. Prinzipiell fasst man darunter das
- körperliche
- geistige
- seelische
Wohl eines Kindes zusammen.
Vielleicht auch deshalb sah sich der Bundesgerichtshof dazu veranlasst, einen Beschluss zur Kindeswohlgefährdung zu veröffentlichen (Aktenzeichen XII ZB 149/16). Darin heißt es:
„Eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt.“
Unterschieden wird außerdem zwischen „akuter“ und „latenter“ Kindeswohlgefährdung. Während Letztere keine unmittelbare Gefahr darstellt, langfristig jedoch Auswirkungen auf das Wohl des Kindes haben kann, liegt bei Ersterer eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben des Kindes vor und erfordert schnelles Handeln.
Zahlen: Für 2017 erhielt das Jugendamt Düsseldorf zum Beispiel rund 1700 Hinweise zum Thema.
Formen der Kindeswohlgefährdung
Aufgrund der recht allgemein gehaltenen rechtlichen Definition hier ein paar konkrete Beispiele. So kann Gefährdung des Kindeswohls beispielsweise in folgenden Formen vorliegen:
- Vernachlässigung des Kindes/elterlicher Pflichten
- Körperliche Gewalt/Misshandlung
- Psychische/emotionale Misshandlung
- Sexuelle(r) Missbrauch/Gewalt
- Häusliche Gewalt
Anhaltspunkte für Kindeswohlgefährdung
Körperliche Merkmale als auch das Verhalten des Kindes sind Kriterien, an denen sich eine Gefährdung des Kindeswohls zeigen kann. Dazu zählen unter anderem:
- Gewichtsprobleme (Unter- bzw. Überernährung)
- Unzureichende Hygiene
- Unpassende Kleidung
- Entwicklungsverzögerung (körperlich, sprachlich)
- Aggressives oder ängstliches Verhalten
- Missachtung von Regeln und Grenzen
- Isolation
Gibt es eine Meldepflicht?
Für Privatpersonen gibt es keine Verpflichtung einen Verdacht zu melden. Oftmals ist es für diese Gruppe auch schwieriger eine etwaige Gefährdung des Kindeswohl zu beurteilen. Anders verhält sich der Fall bei (fast) allen Berufsgruppen, die mit Kindern oder Jugendlichen arbeiten. Diese machen sich unter Umständen sogar strafbar, melden sie einen konkreten Verdacht nicht. Zu diesen beruflichen Tätigkeiten, die hier besonders in der Verantwortung stehen, zählen etwa:
- Heilberufe
- Pädagogische Fachkräfte
- Sozialarbeiter/innen
- Berater/innen im Familien-, Jugend- und Erziehungssektor
Hinweis: Es empfiehlt sich hier vor der tatsächlichen Meldung, das Gespräch mit den Erziehungsberechtigten zu suchen. Davon ist aber abzusehen, wenn dadurch das Wohl des Kindes weiter gefährdet wird.
Maßnahmen
Außenstehende, Freunde oder Nachbarn sollten sich zunächst an örtliche Beratungsstellen, etwa Familienberatungsstellen oder Kinderschutzzentren, wenden. Mit Hilfe der Fachkräfte vor Ort wird nun geklärt, ob tatsächlich ein begründeter Verdacht vorliegt (siehe z.B. „Anhaltspunkte für Kindeswohlgefährdung“) und welche Schritte als nächstes eingeleitet werden sollen.
Bei einem starken Verdacht können Sie die Meldung auch direkt beim Jugendamt vornehmen. Folgende Informationen sollten dabei enthalten sein:
- Allgemeine Angaben zum Kind (Name/Alter/Geschlecht)
- Allgemeine Angaben zu den Erziehungsberechtigten
- Adresse und Kontaktdaten der Familie
- Angaben zu Geschwisterkindern
- Grund der Meldung
- Beweise (Fotos, Videos, Beiträge aus sozialen Netzwerken, Tonaufnahmen, Zeugenaussagen)
Tipp: Möchten Sie Ihre Anonymität wahren, kann die Meldung beim Jugendamt auch ohne Nennung des eigenen Namens erfolgen. Rückmeldungen sind dann aber nicht möglich. Bereiten Sie sich in jeden Fall aber auch auf mögliche Rückfragen am Telefon vor. Außerdem bieten die örtlichen Behörden mittlerweile häufig die Möglichkeit einer Online-Meldung oder zumindest vorgedruckte Formulare zum Ausfüllen an. Dort finden Sie meist die wichtigsten Kontaktdaten sowie alle erforderlichen Angaben, die zu machen sind.
Quellen:
https://www.anwalt-kindschaftsrecht.de/was-ist-eine-kindeswohlgefaehrdung/
https://www.dresden.de/media/pdf/jugend/kinderschutz/Handlungsempfehlung_Kindeswohlgefaehrdung.pdf
https://www.fruehehilfen.de/fileadmin/user_upload/fruehehilfen.de/pdf/Publikation-NZFH-Modul-9-mit-moeglichen-Hinweisen-auf-Kindeswohlgefaehrdung-umgehen.pdf
https://www.kinderschutzhotline.de/fileadmin/downloads/Beratung_im_Kinderschutz_Berlin_8_2018_-_Siebenkotten-Dahlhoff.pdf