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In Deutschland herrscht zum Schutz der Kinder Kindersitzpflicht. Vorschriftsmäßig sind nur Kindersitze, die zugelassen und weiterhin für die Sicherung des jeweiligen Kindes geeignet sind. Darunter können auch Kindersitzerhöhungen fallen. Hier die Einzelheiten der geltenden Vorschriften und Empfehlungen.
Die Kindersitzerhöhung im System der Kindersitz-Vorschriften
Der die Kindersitzpflicht regelnde § 21 Abs. 1a S. 1 StVO verweist auf die EU-Richtlinie zu Gurtanlegepflicht und Kinderrückhalteeinrichtungen in ihrer letzten, durch Durchführungsrichtlinien aktualisierten Form. Demnach müssen verwendete Kinderrückhaltevorrichtungen entsprechend nach UN/ECE-Regelung 44/03 oder UN/ECE-Regelung 129 zugelassen sein. In Anwendung dieser Normen wurden 3 Gruppen von Kindersitzen entwickelt:
1. Kinder bis ca. 1½ Jahre:
- bis ca. 13 kg ( = Gewichtsklasse 0+ UN ECE Reg. 44) oder 83 cm Größe (UN ECE Reg. 129): Standartmodell Babyschale für Transport entgegen der Fahrtrichtung
2. Kinder von ca. 1½ bis ca. 4 Jahre:
- von 9 bis 18 kg Körpergewicht (Gewichtsklasse I UN ECE Reg. 44) oder 105 cm (UN ECE Reg. 129): zulassungsfähige Systeme mit Hosenträgergurt sowie Fangkörpersysteme
3. Kinder von ca. 4 bis 12 Jahre:
- Kinder von 15 bis 25 kg (Gewichtsklasse I UN ECE Reg. 44) oder 105 bis 125 cm Körpergröße (UN ECE Reg. 129), durchschnittlich 4 bis ca. 7 Jahre
- Kinder von 22 bis 36 kg (Gewichtsklasse III UN ECE Reg. 44) oder 125 bis 150 cm Körpergröße (UN ECE Reg. 129), durchschnittlich ca. 7 bis 12 Jahre
- Für diese Kinder sind Sitzerhöhungen mit Rücken- bzw. Schlafstützen zugelassen
Tipp: Einzelheiten zu Kindersitzpflicht erhalten Sie auch im Beitrag: „Kindersitzpflicht: was gilt in Deutschland, Schweiz & EU-Ausland?“.
Die Gruppen geben jeweils nur Richtwerte vor. Das eigentlich Entscheidende ist, dass zugelassene Kindersitzerhöhungen immer nur vorschriftsmäßig im Sinne des Gesetzes sind, wenn das Kind wirklich gut in den Sitz passt und so auch tatsächlich gut gesichert wird.
Kindersitzerhöhung – ab/bis wann?
§ 21 Abs. 1a S. 1 StVO gilt nur für Kinder bis zum 12. Lebensjahr. Wenn ein Kind vor dem 12. Lebensjahres eine Körpergröße von 150 cm erreicht bzw. überschreitet, ist es laut § 21 Abs. 1a S. 1 von der Kindersitzpflicht ausgenommen, weil die Sicherung durch den normalen Sicherheitsgurt genauso gut wie bei Erwachsenen funktioniert (eine Sitzerhöhung ist für solche Kinder dann also auch nicht mehr erforderlich).
Wenn Kinder mit 12 Jahren die Körpergröße von 150 cm noch nicht erreicht haben, fallen sie zwar aus dem Regelungsbereich der Vorschrift, müssen aber ggf. trotzdem gesichert werden. Denn Eltern sind auch bei Fehlen spezieller Kinderschutznormen für die Sicherheit ihrer Kindes (im Auto) verantwortlich. Ohnehin vorhandene, vor kurzem angepasste Sitzerhöhungen dürfen Sie solange nutzen, bis das körperliche Wachstum des Kindes andere Sicherung (z. B. durch den normalen Sicherheitsgurt) erfordert/ermöglicht.
Ein festes Alter, ab dem bzw. bis zu dem eine Kindersitzerhöhung verwendet werden darf, gibt es also nicht. Das entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der die Eltern schließlich in der Verantwortung sieht, ihr Kind unter Eingehen auf mögliche körperliche Besonderheiten bei der Mitfahrt im Auto bestmöglich zu sichern. Rein praktisch ergeben sich die Altersgrenzen aus den zugelassenen Kindersitzerhöhungen: Hersteller arbeiten übrigens bei den Fragen rund um die bestmögliche Sicherheit von Kindern mit Wissenschaftlern zusammen. Nach heutigem Stand der Wissenschaft können Kindersitzerhöhungen demzufolge Kinder ab einem Alter von ca. 4 Jahren bis zu einer Körpergröße von 150 cm (die sie mit ca. 12 Jahren erreichen) gut sichern, wenn sie gut zum Körper des individuellen Kindes passen bzw. angepasst werden können.
Die Wissenschaftler sind sich aber auch darin einig, dass ein Komplettsitz mit Rückenlehne Kindern deutlich mehr Schutz bietet. Viele Hersteller haben reine Sitzerhöhungen auch schon vollständig aus dem Programm genommen. Sitzerhöhungen werden deshalb unabhängig von gesetzlichen Regelungen nur als Notlösung empfohlen.
Anforderungen an die Kindersitzerhöhung
Die Sitzerhöhung kann und darf den Kindersitz im Auto nur ersetzen, wenn sie das Kind gleich gut sichert. Dazu müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- zugelassene Kindersitzerhöhung nur dann, wenn das Kind körpergerecht gesichert wird
- vor allem für Kinder von 4 bis 12 Jahren zugelassen
- Erst dann sind diese Systeme geeignet: Kinder ab ca. 4 Jahren weisen ausreichende Schulterstabilität auf
- Nach § 21 Ia S. 1 StVO/EU-Richtlinie 91/671/EWG müssen Sitzerhöhungen schließlich nach Hersteller-Anleitung eingebaut werden
- um Sicherheit für jeweiligen Fahrzeugtyp zu gewährleisten: siehe Anleitung
- Rückenlehnen nicht vorgeschrieben, aber Experten empfehlen sie
- sind Rückenstützen vorhanden, sind sie Teil des Sicherungssystems und dürfen weder entfernt noch individuell angepasst werden
- Schultergurt: sollte demzufolge mittig über die Schulter des Kindes laufen, damit es im Schlaf nicht aus dem Gurt fällt
- Gurt-Aufrollautomatik eventuell auf Gewicht des Kindes einstellen, damit sie sich bei Bewegungen sicher straffzieht
- Beckengurt mindestens durch Gurthaken führen, damit er bei Unfällen nicht in den Bauchbereich rutscht
- Empfehlung: Sitzerhöhungen mit Führungshörnern, die Beckengurt des 3-Punkt-Gurtes optimal am Kindeskörper entlang führen
Achtung: Nur mit Beckengurten dürfen Sitzerhöhungen übrigens nicht verwendet werden (Mindestvoraussetzung 3-Punkt-Gurt).
Quellen:
http://www.gesetze-im-internet.de/stvo_2013/BJNR036710013.html
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:01991L0671-20140320&from=de
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A32014L0037
http://www.landesverkehrswacht.de/wissenswertes/fuer-kinder/autokindersitz/haeufig-gestellte-fragen.html
https://www.adac.de/infotestrat/ratgeber-verkehr/kindersicherheit/kindersitzberater/kauf/kindersitzsysteme-vor-und-nachteile-antwort-1.aspx
https://www.tuev-sued.de/tuev-sued-konzern/presse/pressearchiv/neue-norm-bringt-mehr-kindersicherheit-ins-auto