Geburt einleiten: Ablauf, Dauer und Risiken einer Geburtseinleitung

Jede Schwangere kennt ihren voraussichtlichen Entbindungstermin (VET). Er steht im Mutterpass und gibt eine ungefähre Orientierung, wann die Geburt des Babys zu erwarten ist. Doch nicht selten vergeht dieser Tag, ohne dass es irgendein Anzeichen für eine beginnende Geburt gibt. Warum sollte der Geburtstermin nicht ,,ewig“ überschritten werden? Was passiert in der Klinik, wenn die Geburt künstlich eingeleitet werden muss? Diese Fragen werden im folgenden Artikel beantwortet werden.

Geburt einleiten

Eine Schwangerschaft beim Menschen dauert 280 Tage. Der Tag der Geburt wird entweder nach dem Auftreten der letzten Periode berechnet (Naegele-Regel) oder per Ultraschallmessung festgelegt. Dieser Tag ist der sogenannte voraussichtliche Entbindungstermin und wird im Mutterpass eingetragen.

Video-Tipp

Die Plazenta als „Versorgungsorgan“

Das Baby wird über den Mutterkuchen mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt. Voraussetzung dafür ist eine optimale Durchblutung in der Plazenta selbst.

Die Überschreitung des Geburtstermins

Wenn die Schwangerschaft deutlich älter wird als 280 Tage, altert auch der Mutterkuchen. Ähnlich wie bei alten Menschen führt das zu Verkalkungen der Blutgefäße, zu Funktionseinschränkungen und damit schließlich zu Mangelerscheinungen beim Kind.

Das Baby in Gefahr

Der Mutterkuchen wird nun seiner Versorgungsaufgabe nicht mehr gerecht. Das Baby erhält nur noch unzureichend Nährstoffe und Sauerstoff und gerät schließlich in Gefahr. Deshalb muss die Geburt vor diesem Gefahren-Zeitpunkt beginnen. Falls nicht, ist es ratsam, die Geburt einzuleiten, bevor es für das Kind im Bauch echt „eng“ und ungemütlich wird. Eine Geburtseinleitung findet deshalb ab einer Terminüberschreitung von 10 – 14 Tagen nach dem errechneten Termin statt oder bei anderen gefährdenden Zuständen in der Schwangerschaft.

Geburtsdauer:

Ab dem Einsetzen einer regelmäßigen Wehentätigkeit dauert eine Geburt bei Erstgebärenden bis zu 24 Stunden und bei Mehrgebärenden bis zu 18 Stunden. Doch ebenso sind kurze Verläufe von 1 – 3 Stunden möglich. Bei einer Geburtseinleitung zählen die Stunden vor regelmäßigem Wehenbeginn nicht zur eigentlichen Geburtsdauer, aber sie verlängern natürlich den Aufenthalt im Geburtensaal und erzeugen oft den Eindruck, dass es irgendwie „ganz schön lange“ dauert.

Sanfte „Anschubser“

Anfangs kommen meist sanfte Methoden für die Anregung natürlicher Wehentätigkeit zum Einsatz:

  • Wehencocktail
  • Nelkenöltampons
  • Einlauf
  • Eipollösung

Wehen-Cocktail

  • Hauptbestandteil ist Rizinusöl
  • aus den Samen des Rizinus (Wunderbaum, Ricinus communis) gewonnen
  • das hochgiftige Rizin ist nicht mehr im fertig gepressten Öl enthalten
  • Ricinolsäure ist der geburtshilflich wirksame Bestandteil und führt zu Kontraktionen der Gebärmutter

Achtung! Manche Frauen reagieren stärker als andere auf die Einnahme des Cocktails, es kann zu

  • Bauchkrämpfen
  • Durchfall
  • Übelkeit/ Erbrechen
  • Entgleisung des Stoffwechsels (Gefahr für Mutter und Kind)
  • Dauer: Erfolg ungewiss

Studienlage:

Kein nachweisbarer Effekt auf verkürzte Entbindungszeit, aber alle Patienten litten an Übelkeit u/o. Erbrechen.

Cocktaileinleitungen sind innerhalb der ersten 12 Stunden nach Gabe wirksamer als Einleitungen mit Prostaglandinen. Insgesamt führen aber prostaglandinhaltige Methoden häufiger zu einer Geburt innerhalb von 24 Stunden als mit einem Cocktail.

Nelkenöltampons

  • Nelken = wehenförderndes Gewürz (Tee, Aromaöl)
  • durch Einlage von getränkten Tampons kann es zu Geburtswehen kommen
  • Verwendung von naturreinem ätherisches Öl der Nelkenblätter
  • Dauer ungewiss, wenn es funktioniert Wehenbeginn meist innerhalb von 6 bis 12 Stunden

Nelkenöltampon

Achtung! Nelkenöl ist ein intensives, stark reizendes Öl. Es muss

  • gering dosiert und
  • mit einem anderen Öl verdünnt werden.
  • Dauer: Erfolg ungewiss

Studienlage:

Bei geringer Komplikationsrate stellt der Einsatz von Nelkenöltampons eine erfolgreiche und kostengünstige Methode zur Weheninduktion dar. Daher ist ihr Einsatz, auch in Kombination mit herkömmlichen Mitteln zur Geburtseinleitung, durchaus zu empfehlen.

Bei einem Drittel der Frauen begannen nach der Einlage von Nelkenöltampons Wehen. Bei jeder fünften Frau trat jedoch eine Nebenwirkung in Form leichter Gewebsreizung auf.

Einlauf

  • abführende Maßnahme
  • „innerliche“ Massage (Darmbewegungen) der Gebärmutter führt eventuell zu Wehen
  • Dauer: Erfolg ungewiss

Studienlage:

Ein Einlauf hat keinen nachweisbaren Effekt auf die Verkürzung der Enbindungszeit.

Eipollösung

  • vaginalen Untersuchung
  • Ablösung der Fruchtblase von der Wand der Gebärmutter im Bereich des Muttermundes
  • Mechanische Reizung kann Geburtswehen auslösen
  • Dauer: Einsetzen von Geburtswehen innerhalb von 48 Stunden

Studienlage:

„Eine Lösung des unteren Eipols ist wirksam zur Anregung der Wehentätigkeit, kann jedoch unangenehm sein und Blutungen sowie unregelmäßige Wehentätigkeit zur Folge haben.“ (Zitat: Cochrane Review Gruppe: Pregnancy and Childbirth Group, 15. August 2012, Autoren: Bricker L, Luckas M)

Die medizinisch notwendige Geburtseinleitung

Eine Geburtseinleitung ist eine medizinisch notwendige Maßnahme, um eine potentielle Gefahrensituation für das Kind abzuwenden. Dabei werden Medikamente zur Weheninduktion eingesetzt. Geburtseinleitungen erfolgen übrigens immer in geburtshilflichen Einrichtungen. Folgende Möglichkeiten stehen zur Verfügung

  • Künstliche Eröffnung der Fruchtblase (Blasensprengung)
  • Priming mit Prostaglandinen
  • Weheninduktion mit Oxytocininfusion (Wehentropf)

Blasensprengung (Amniotomie)

  • vaginalen Untersuchung
  • Eröffnung der Fruchtblase – Fruchtwasserabgang
  • Volumenverringerung führt oft zu Geburtswehen
  • Problem: Schutzhülle für das Kind ist offen – Infektionsgefahr
  • Oft weitere medizinische Maßnahmen notwendig z.B. Wehentropf
  • Dauer: Einsetzen von Geburtswehen nach ca. 1 – 2 Stunden

„Es gibt nicht genügend Nachweise zur Wirksamkeit einer Blasensprengung […] als alleinige Methode der Geburtseinleitung.“ (Zitat: Cochrane Review Gruppe: Pregnancy and Childbirth Group, 15. August 2012, Autoren: Bricker L, Luckas M)

Medikamentös: Priming – Reif machen

  • fest verschlossener Muttermund – nicht geburtsbereit
  • Gabe von Prostaglandinen (intrazervikal, vaginal oder oral)
  • Reifung des Muttermundes durch leichte Wehen
  • Eröffnung des gereiften Muttermundes
  • Problem: Überstimulation (zu häufige Wehen) führen zu einer raschen Ermüdung der Gebärenden und ihres Kindes.
  • Oft weitere geburtshilfliche Maßnahmen notwendig
  • Dauer: 1 Stunde bis mehrere Tage, bis der Körper mit Geburtswehen reagiert

Studienlage:

Bei unreifem MM‐Befund ist die „Priming‐Methode“ derzeit die erste Wahl unter den Einleitungsmethoden. Nebenwirkung kann indes eine Hyperstimulation sein.

Medikamentös: Wehentropf

Wehentropf

  • Dosierung der Infusion je nach Wirksamkeit
  • Problem: verzögerte Muttermundseröffnung trotz Wehen
  • Oft weitere medizinische Maßnahmen notwendig
  • Dauer: innerhalb von 2-3 Stunden beginnen Geburtswehen

Studienlage:

Das Oxytocin wirkt auf die Oxytoctin‐Rezeptoren der Uterus-Muskulatur und führt schließlich zu Wehen. In Kombination mit der Amniotomie (Blasensprengung) ist es übrigens die häufigste Einleitungsmethode weltweit.

Auch in diesem Artikel wurde bewusst auf die Vermittlung von Rezepturen und Dosierungen verzichtet, denn jede Methode der Geburtseinleitung erfordert die Begleitung durch Arzt und/oder Hebamme. Doch egal, wie Ihre Geburt beginnt oder verläuft, ob mit oder ohne künstliche Wehenmittel, das Ergebnis wird ein wundervolles Baby in Ihren Armen sein. Viel Glück!

Quellen:
https://www.rizinusoel.net/wehencocktail.html
https://docplayer.org/66130121-Methoden-der-geburtseinleitung-evidenz-und-mythos-dr-philipp-reif.html
https://www.spektrum.de/news/wehenfoerdernde-wirkung-von-rizinusoel-aufgeklaert/1152212
https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0031-1293400
https://www.wehenausloesen.de/dauer-geburtseinleitung/

Diplom-Medizin-Pädagogin und Hebamme
Wanda Unger ist Diplom-Medizin-Pädagogin und Hebamme. Seit vielen Jahren begleitet sie junge Familien durch die Zeit der Schwangerschaft bis zum 1. Lebensjahr ihrer Babys. Für unser Portal schreibt sie Fachtexte rund um Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett, Stillzeit und Babypflege. Als Mutter und Hebamme ist es ihr wichtig, den Familien den Start in den Alltag mit dem neuen Familienmitglied zu erleichtern.
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Wanda Unger ist Diplom-Medizin-Pädagogin und Hebamme. Seit vielen Jahren begleitet sie junge Familien durch die Zeit der Schwangerschaft bis zum 1. Lebensjahr ihrer Babys. Für unser Portal schreibt sie Fachtexte rund um Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett, Stillzeit und Babypflege. Als Mutter und Hebamme ist es ihr wichtig, den Familien den Start in den Alltag mit dem neuen Familienmitglied zu erleichtern.
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