In diesem Artikel
Stellen Sie sich vor, Sie sind endlich schwanger und freuen sich riesig auf Ihr Baby. Doch im Rahmen der ersten größeren Ultraschalluntersuchung werden Auffälligkeiten entdeckt. Sofort kommt die Angst in Ihnen auf, dass das ersehnte Baby nicht vollkommen gesund zur Welt kommt. Was tun in dieser Situation? Den Kopf in den Sand stecken? Alles verdrängen? Mit wem bespricht man nun seine tiefen Ängste und wer kann helfen? Oder kann sogar noch mehr Klarheit in die Situation kommen mit weiteren Untersuchungen? Eine Fruchtwasseruntersuchung könnte tatsächlich hilfreich sein, doch Sie haben so viel darüber gehört und gelesen, nichts davon verringert Ihre Angst. In diesem Text finden Sie Antworten, Fakten und Entscheidungshilfen zu dem Thema „Fruchtwasseruntersuchung: ja oder nein“.
Was ist eine Fruchtwasseruntersuchung?
Eine Fruchtwasseruntersuchung, die sogenannte Amniozentese, ist ein Bestandteil der Pränataldiagnostik (Untersuchung des Kindes auf Erkrankungen vor der Geburt) und ist etwa ab 16. Schwangerschaftswoche möglich. Hierbei wird der Schwangeren Fruchtwasser entnommen. Dies geschieht mit einer Hohlnadel, die unter Ultraschallsicht durch die Bauchdecke der Mutter (unter lokaler Betäubung) bis in die Gebärmutter eingeführt wird. Dann werden mit einer Spritze etwa 10 – 20 ml Fruchtwasser entnommen und zur Untersuchung in das Labor gesendet. Das Fruchtwasser enthält kindliche Zellen, die dann auf Chromosomenstörungen oder bestimmte Erkrankungen hin untersucht werden. Auffällige Befunde erfordern individuelles Vorgehen je nach dem entdeckten Krankheitsbild. Jedoch sind auch unauffällige Befunde kein Garant für ein vollständig gesundes Kind, denn nur bestimmte Erkrankungen können mit der Fruchtwasseruntersuchungen entdeckt werden.
Wann ist eine Fruchtwasseruntersuchung notwendig?
Eine Fruchtwasseruntersuchung wird aufgrund verschiedener Umstände notwendig:
- Ein Erhöhtes mütterliches Alter (> 35 Jahre),
- eine Familiäre Vorbelastung mit genetischen Erkrankungen (Muskeldystrophie) sowie
- auffällige Ultraschallbefunde (auffällige Nackenfalte-Messung)
sind mit höheren Risiken für ein eines geschädigten/ erkrankten Kindes verbunden. Es könnte von - einer Erbkrankheit (Muskelerkrankung, Stoffwechselerkrankung),
- einer Fehlbildung (Neuralrohrdefekt) oder
- einer Chromosomenstörungen betroffen sein,
die erhebliche Auswirkung auf das Leben von Kind und Eltern hat. Die bekannteste Chromosomenstörung ist die Trisomie 21 (Down-Syndrom). Auch kann mittels einer Fruchtwasseruntersuchung das Geschlecht des Kindes sicher festgestellt werden, da manche Erbkrankheiten an ein bestimmtes Geschlecht gebunden sind (z.B. Bluter-Krankheit). Sollte eine rhesus-negative Schwangere gegen ihr Kind Antikörper bilden, kann mit einer Fruchtwasseruntersuchung die Schwere der Erkrankung festgestellt werden und eine gezielte Therapie abgeleitet werden.
Risiken bei oder einer Fruchtwasseruntersuchung
Dieser Eingriff ist für Mutter und Kind nicht risikofrei. Durch die unablässige Ultraschallkontrolle während des Eingriffs ist eine kindliche Verletzung mit der eingeführten Nadel unwahrscheinlich. Fast immer bemerkt die Schwangere nach der Fruchtwasserentnahme Kontraktionen der Gebärmutter (Wehen), die aber meist folgenlos bleiben. Allerdings kommt es bei 0,1-0,2% der untersuchten Schwangeren zu einer Fehlgeburt und damit zum Verlust des Kindes. Auch vaginale Blutungen, Fruchtwasserabgang oder Infektionen der Gebärmutter können in seltenen Fällen Folge der Punktion (Einstich mit Hohlnadel) sein, die einen Klinikaufenthalt erforderlich machen.
Fruchtwasseruntersuchung ja oder nein?
Aufgrund dieser Risiken ist eine Fruchtwasseruntersuchung wohl zu überlegen. Im Falle eines sehr erwünschten Kindes wäre eine Fehlgeburt aufgrund dieses Eingriffes eine überaus tragische Folge.
Im Falle eines auffälligen Befundes, sprich erkrankten Kindes, gibt es 2 Wege:
- Wenn die entdeckte Erkrankung mit dem Leben des Kindes oder der Mutter nicht vereinbar ist, könnte der Abbruch der Schwangerschaft folgen (müssen) – eine erhebliche psychische und physische Belastung für die Mutter.
- Wenn allerdings ein Leben mit der Erkrankung/Behinderung möglich ist, wird die Schwangerschaft ausgetragen und entsprechende medizinische Maßnahmen für die Geburt, die Neugeborenen-Zeit und die Zeit danach eingeleitet. Dass sich Eltern vorgeburtlich mit diesen Dingen befassen, erleichtert den Start und das weitere Leben mit einem behinderten/erkranktem Kind.
Zusammenfassend wären folgende Fragen für eine Entscheidungsfindung zu einer Fruchtwasseruntersuchung hilfreich:
- Könnte ich mit dem Eintreten einer eventuellen Fehlgeburt umgehen?
- Könnte ich einen Schwangerschaftsabbruch durchführen, weil mein Kind behindert oder krank ist?
- Hätte ich die Chance auf weitere (Wunsch)Kindern (Alter, Fruchtbarkeit, Partner…)
- Würde ich auch ein behindertes Kind akzeptieren und versorgen können?
- Verträgt meine Partnerschaft die „Last“ eines behinderten/erkrankten Kindes?
- Würde ich mein Kind genauso lieben, auch wenn es behindert oder krank wäre?
Das ist nur ein kleiner Auszug möglicher Fragen an sich selbst, die zu bedenken sind. Viele andere Aspekte führen zu jeweils ganz individuellen Situationen, die individuelle Beratung sowie Entscheidungen erfordern. Es gibt keine allgemeingültige Lösung in dieser schweren Situation.
Wer übernimmt die Kosten?
Die Fruchtwasseruntersuchung ist optionaler Bestandteil der Schwangerschaftsvorsorge. Wenn der behandelnde Frauenarzt/-ärztin die Notwendigkeit zu dieser Untersuchung feststellt, werden die Kosten von den Krankenkassen übernommen.
Erfahrungen von Frauen mit Fruchtwasseruntersuchung
- Konsequenzen einer Fruchtwasseruntersuchung
Die Entdeckung einer Behinderung/Erkrankung beim Kind kann eine Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch zur Folge haben. Im Gegenzug dafür hat auch jede Person ein „Recht auf Nichtwissen“. Eine vorherige gründliche und individuelle Beratung unterstützt Familien im Treffen einer sehr individuellen Entscheidung für oder gegen eine Fruchtwasseruntersuchung. - Schmerzen
Im Normalfall verursacht eine Fruchtwasseruntersuchung keine Schmerzen, allerdings können die Kontraktionen danach etwas Beschwerden machen (und Angst). - Verhalten danach
Nach einer Fruchtwasseruntersuchung sind (Bett)Ruhe und körperliche Schonung das Wichtigste (Krankschreibung). - Warten auf das Ergebnis
Die schwierigste Zeit nach der Untersuchung ist die Wartezeit, bis das Ergebnis vorliegt (rund zwei Wochen). Diese Zeit ist geprägt von Angst, Sorge und „Gedankenkreiseln“. Dies hat Einfluss auf Befinden (psychosomatische Beschwerden) und Konzentrationsfähigkeit (Arbeit). - Vorbereitung auf die Geburt eines behinderten/erkrankten Kindes
Eltern können „Weichen stellen“ und ihr „Schicksal“ aktiv in die Hand nehmen:- Eine Spezialklinik für die Geburt wählen (OP-Möglichkeiten, Intensivstation…)
- Spezialisierte Ärzte und Therapeuten suchen (Nachsorge und Entwicklungsbegleitung)
- Sich Informationsmaterial besorgen (Informationen bauen Ängste ab)
- Sich mit Betroffenen austauschen (ein Leben mit der Erkrankung/Behinderung ist möglich und schön)
- Selbsthilfegruppen wählen (Lebenshilfe, mögliche (staatliche) Unterstützungen…)
- Eigene berufliche Perspektiven klären (finanzielle Absicherung und Lebenswünsche)
Ich hoffe sehr, Dass Sie selbst nie vor die Wahl gestellt werden „Fruchtwasseruntersuchung ja oder nein“, doch wenn, können Ihnen die vorangegangenen Fakten und Gedanken neben den ärztlichen Beratungsgesprächen vielleicht wertvolle Unterstützung geben.
Quellen:
https://www.frauenaerzte-im-netz.de/diagnostik/praenatale-diagnostik/amniozentese-fruchtwasseruntersuchung-chorionzottenbiopsie/
https://flexikon.doccheck.com/de/Amniozentese
https://www.9monate.de/schwangerschaft-geburt/untersuchungen/amniozentese-fruchtwasserpunktion-id94405.html