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Seit 2005 sind die Rechte der Reisenden bei einem Flugausfall in der EU-Fluggastrechteverordnung einheitlich geregelt. So haben Sie zum Beispiel während einer flugausfallbedingten Wartezeit einen Anspruch auf kostenfreies Essen und Getränke und – falls die Wartezeit länger dauert – auch auf eine Übernachtung in einem Hotel. Außerdem ist die Fluggesellschaft dazu verpflichtet, für eine angemessene Ersatzbeförderung zu sorgen oder, falls Sie es wünschen, Ihnen den Ticketpreis in voller Höhe zu erstatten.
Rechte der Passagiere bei Flugausfall
Grundsätzlich haben Sie bei einem Flugausfall Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung. Voraussetzung dafür ist, dass entweder der Start- oder Zielflughafen oder aber ein Sitz der Fluggesellschaft innerhalb der EU liegt. Die Entschädigung beträgt zwischen 250 und 600 Euro. Wie hoch sie im konkreten Einzelfall ist, hängt davon ab
- wie groß die Entfernung zwischen Start- und Zielort ist und
- ob Ihnen eine Ersatzbeförderung angeboten wurde
Für die Entfernungen zwischen Start- und Zielort gibt es genaue Vorgaben. Für einen ausgefallenen Flug über 1.500 Kilometer innerhalb von Europa erhält ein Passagier beispielsweise eine Ausgleichszahlung in Höhe von 400 Euro. Wenn Sie einen Ersatzflug nehmen können, mit dem Sie ohne große Verspätung am Zielort ankommen, reduziert sich die Entschädigung auf die Hälfte – in diesem Beispiel also auf 200 Euro.
Wenn die Airline Sie allerdings rechtzeitig über den Flugausfall informiert, haben Sie keinen Anspruch auf eine Entschädigung. „Rechtzeitig“ bedeutet in diesem Fall, dass die Information Sie mindestens 2 Wochen vor der geplanten Ankunftszeit erreicht. Die Fluggesellschaft ist dazu verpflichtet, die Fluggäste innerhalb dieser Frist direkt zu kontaktieren. Eine allgemeine Information an verschiedene Reiseveranstalter ist nicht ausreichend, um eine Entschädigungszahlung zu vermeiden.
Laut den EU-Regelungen sind die Fluggesellschaften ebenfalls von ihrer Entschädigungspflicht befreit, wenn ein Flug aufgrund „außergewöhnlicher Umstände“ ausfällt. Und auf diese berufen sich die meisten Airlines, wenn es Ausgleichszahlungen für ausgefallene Flüge geht.
Was sind „außergewöhnliche Umstände“?
Die EU-Regelungen definieren außergewöhnliche Umstände als Situationen, die sich trotz aller zumutbaren Maßnahmen, die von der Fluggesellschaft hätten ergriffen werden können, nicht verhindern ließen. Typische Beispiele sind
- Naturkatastrophen,
- widrige Wetterbedingungen,
- instabile politische Situationen,
- Terrordrohungen und -warnungen,
- Streiks oder auch
- Vogelschlag.
Ob diese Situationen jedoch zwangsläufig immer der Definition von außergewöhnlichen Umständen entsprechen, ist nicht in jedem Fall eindeutig. Ein Beispiel: Annullierung eines Fluges aufgrund eines Schadens am Flugzeug. Je nachdem, wodurch der Schaden verursacht wurde, kann es sich um einen außergewöhnlichen Umstand handeln, der – trotz aller zumutbaren Maßnahmen – nicht hätte verhindert werden können. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn der Schaden die Folge eines Vogelschlags, Sabotage- oder Terrorakts wäre, nicht aber, wenn er durch einen rollenden Gepäckwagen oder eine mangelnde Wartung verursacht wurde.
Diese Abwägung ist nicht immer leicht, vor allem nicht, wenn es um einen streikbedingten Flugausfall geht. Deshalb gibt es mittlerweile zahlreiche Gerichtsurteile zu der Frage, welche Situation bei einem Flugausfall als außergewöhnlicher Umstand anerkannt werden kann, wodurch Reisende ihren Anspruch auf Entschädigung verlieren.
Entschädigung nach Flugausfall wegen Streik? – Rechtslage
Auch bei Flügen, die aufgrund eines Streiks ausfallen, ist die Rechtslage nicht eindeutig, wie unterschiedliche Gerichtsurteile zeigen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat beispielsweise einen Streik der Piloten-Vereinigung Cockpit als außergewöhnlichen Umstand gewertet (Az. X ZR 138/11; X ZR 146/11).
Anders wertete jedoch der Europäische Gerichtshof (EuGH) den sogenannten „wilden Streik“ einer Fluggesellschaft. So werden indirekte Streikmaßnahmen bezeichnet, bei denen sich die Mitarbeiter reihenweise aus Protest krankmelden. Ein solcher Fall sei unter anderem die Folge der Atmosphäre innerhalb eines Unternehmens und deshalb kein außergewöhnlicher Umstand, so die Richter in Luxemburg (zum Beispiel Az. C-195/17).
In einem aktuellen Urteil vom 4. September 2018 hat der Bundesgerichtshof (BGH) wiederum die Rechte der Reisenden bei Flugausfällen gestärkt (Az. X ZR 111/17 – Volltext noch nicht online verfügbar). Geklagt hatte ein Ehepaar, das mit der Fluggesellschaft easyJet von Hamburg nach Lanzarote fliegen wollte. Wegen eines Warnstreiks des Sicherheitspersonals wurde der Flug des Ehepaares jedoch annulliert. Entgegen der Auffassung der vorherigen Instanzen, urteilte der BGH, dass Reisende auch dann Anspruch auf eine Entschädigung haben können, wenn der Streik das Sicherheitspersonal am Boden betrifft. Im konkreten Fall wäre eine Annullierung des Fluges nicht zwingend notwendig gewesen, da es keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr gegeben hätte, die den Flugausfall rechtfertigen würde.
Flugausfall – das sollten Sie tun
Wenn Ihr Flug annulliert wurde, sollten Sie von Beginn wissen, was zu tun ist, um mögliche Entschädigungsansprüche später leichter geltend machen zu können. Der ADAC empfiehlt Reisenden, dass sie bereits am Flughafen:
- sich von der Airline den Grund des Flugausfalls nennen und schriftlich bestätigen lassen
- die Belege für sämtliche Ausgaben für Getränke und Mahlzeiten während der Wartezeit sammeln
- den Reiseveranstalter kontaktieren (bei Pauschalreisen)
Der erste Ansprechpartner für eine Entschädigung bei einem Flugausfall ist die Fluggesellschaft. Wenn Sie die Reise trotzdem antreten möchten, können Sie von der Airline fordern, dass diese
- für eine gleichwertige Ersatzbeförderung sorgt oder
- Ihnen die Kosten für einen selbstgebuchten Alternativflug erstattet und
- Ihren ursprünglichen Flug kostenlos storniert
Wenn Sie die Reise nach dem Flugausfall nicht mehr antreten oder fortsetzen möchten, dürfen Sie von dem Vertrag zurücktreten und von der Fluggesellschaft die Erstattung des Flugpreises verlangen. Falls Sie sich schon unterwegs befinden, zum Beispiel an dem Flughafen des Zwischenstopps können Sie einen Rücktransport (per Flugzeug oder anderem Transportmittel) zum Startflughafen fordern.
Sollte sich die Airline weigern, diese oder Forderungen nach einer Ausgleichszahlung zu erfüllen, können Sie sich an folgende Stellen wenden:
- Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP)
- Verbraucherzentrale
- privater Inkassodienst
- Rechtsanwalt / Gericht
Hinweis: Beachten Sie, dass Sie Ihre Ansprüche innerhalb von drei Jahren geltend machen müssen. Wenn Sie diese Frist verstreichen lassen, sind Ihre Ansprüche erloschen. Die Frist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Flugausfall stattfand. Das bedeutet, dass Sie für einen Flugausfall im Jahr 2018 bis zum Ende des Jahres 2021 eine Entschädigung von der Fluggesellschaft fordern können.
Quellen:
https://www.adac.de/der-adac/rechtsberatung/reiserecht/flugausfall-und-flugverspaetung/
https://www.morgenpost.de/ratgeber/article215249235/Flugausfaelle-bei-Streik-Muss-Airline-Entschaedigung-zahlen.html
https://www.swr3.de/aktuell/Fluggastrechte-Geld-zurueck-bei-Flugausfall-und-Flugverspaetung/-/id=4382120/did=4795114/1xc93bc/index.html
https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/reise-mobilitaet/unterwegs-in-auto-zug-und-flugzeug/flugreisen-finanzieller-ausgleich-bei-ueberbuchung-verspaetung-und-komplett-gestrichenen-starts-10366
https://www.zeit.de/entdecken/2018-09/bundesgerichtshof-airlines-entschaedigung-flugausfall-streik-kunden