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Das Daumenlutschen wird auch oftmals als Bild für kindliches Verhalten verwendet. In diesem Sinne vor allem negativ besetzt. Doch warum lutschen Babys überhaupt am Daumen?
Darum lutschen Babys am Daumen
Das Saugen erlernt ein Baby bereits im Mutterleib. Es ist ein Reflex, der das Überleben des Kindes sichert, denn ohne diese Fähigkeit würde es nach der Geburt schlichtweg verhungern. Doch nicht nur zur Ernährung ist das Saugen an Brust bzw. Flasche notwendig. Es ist für das Kind auch eine Methode, sich selbst zu beruhigen. Es funktioniert in dem Fall als effektiver Seelentröster. Außerdem versetzt es das Kind in die Lage, mit stressigen, ängstigenden oder sonst überfordernden Situationen zurecht zu kommen. Das Daumenlutschen zeigt sich also auch besonders oft, wenn sich das Kind unsicher fühlt. Es ist dann sein „Anker“. Man unterscheidet dabei zwischen zwei Arten von Daumenlutschen.
1. Normales Daumenlutschen
- gelegentlich
- bis zum 3. Lebensjahr
- zum Einschlafen
- in Entbehrungssituationen
2. „Exzessives“ Daumenlutschen
- gehäuftes Auftreten
- in nicht altersgemäßer Entwicklungsphase des Kindes (> 3 Jahre)
- Ersatzbefriedigung in Mangel-Situationen
- Gewohnheitsbildung
- Ausdruck einer Regression (Zurückfallen in kindliche Verhaltensmuster)
Das exzessive Daumenlutschen wird im ICD-10-Katalog (International Classification of Diseases in 10.Version) unter der Nummer F98.4 geführt und ist therapiebedürftig.
Vorteile
Ein eindeutiger Vorteil von daumenlutschenden Kindern ist, dass der Daumen immer zur Verfügung steht. Sobald das Kind die Mund-Hand-Koordination beherrscht, ist es in der Lage, sich selbst über das Daumenlutschen zu beruhigen. Während „Schnullerkind-Eltern“ anfangs beständig damit beschäftigt sind, tags wie nachts den Schnuller zu suchen und dem Kind wieder anzubieten, benötigt ein „Daumenkind“ diese Unterstützung nicht. Aber ist das wirklich ein Vorteil?
Nachteile
Genau wie beim Schnullerkind birgt das Daumenlutschen einige Gefahren für die gesunde Entwicklung. Einerseits kann die Kieferform und die Zahnstellung der bleibenden Zähne negativ beeinflusst werden, andererseits kann es zu Sprachentwicklungsstörungen kommen. Manche Kinder entwickeln auch regelrechte Deformitäten (bleibende Verformungen) des Lutschfingers. Die ganz große Gefahr jedoch ist, dass der Daumen immer vorhanden ist. Es ist für das Kind einfach, steht immer zur Verfügung, ist schmackhaft und hat sich sein ganzes (bisheriges) Leben bewährt. Das Kind hat also wenig Anlass, sein Beruhigungsritual durch andere Methoden zu ersetzen.
Daumenlutschen abgewöhnen – Der beste Zeitpunkt
Der beste Zeitpunkt für das Abgewöhnen des Daumenlutschens ist um das dritte Lebensjahr herum. Die Kinder sind in ihrer Entwicklung soweit vorangeschritten, dass sie Erklärungen folgen können, auf Verhandlungen eingehen können und auf neue Reize enorm neugierig und offen regieren. Das ist die Chance für Eltern, das Daumenlutschen im Vergleich zu anderen Sachen unattraktiv zu machen.
Voraussetzungen
Geduld und Einfühlungsvermögen von Seiten der Eltern sind enorm wichtig. Das Abgewöhnen sollte nicht in Lebensphasen begonnen werden, in denen das Kind erhöhtem Stress ausgesetzt ist, etwa durch
- Umzug
- Kindergartenwechsel
- Geburt eines Geschwisterkindes
- Scheidung der Eltern
Tipp: Aber vor allem ist das Motto (nicht nur) beim Abgewöhnen des Daumenlutschens: „MOTIVATION statt Strafe.“
Geeignete Methoden
- Lob: wie lange es ohne Daumen gewesen ist, dass es die Situation ohne Daumenlutschen gemeistert hat
- Anerkennung: wie groß das Kind schon ist, was es alles schon kann
- Zuwendung und Kuschelzeiten: gerade, wenn es das Bedürfnis nach Lutschen hat
- Belohnungen: Sticker aufkleben für nicht Lutschen – bestimmte Anzahl wird belohnt mit Eis, Buch, Kino, Schwimmbad…
- Begründen und Erklären: warum sich Daumenlutschen abgewöhnen lohnt – Kind soll selbst wünschen, nicht mehr zu lutschen
- Vorbildfunktion Buch
- Ersatz: Kuscheldecke, Schmusetuch, Plüsch- oder Stofftier
- Viele Ablenkungsmanöver starten: wenn Kind die Arme voll hat (Sachen trägt, im Haushalt hilft, singt und klatscht usw.) hat keinen Daumen frei zum Lutschen
- Stillen: Kinder, die gestillt werden, befriedigen ihren Saugbedarf oft schon ausreichend und benötigen danach keinen Daumen mehr
- Eventuell kann als Ersatz auch vorübergehend ein Schnuller angeboten werden, den kann man im zweiten Schritt leichter abgewöhnen
- Alternative Heilmethoden könnten unterstützend versucht werden (Bachblütentherapie, Homöopathie)
Ungeeignete Methoden
Ein Negativ-Erlebnis in Verbindung mit dem Seelentröster Daumen kann ein Kind enorm verunsichern und das genaue Gegenteil verursachen: erst recht den Daumen benutzen oder Ersatzhandlungen suchen (Kopfschlagen, Bettzipfel kaputtbeißen…). Denn, Sie kennen es selbst, Frust wirkt immer kontraproduktiv. Deshalb werden folgende Methoden von Fachleuten nicht empfohlen:
- Daumenlutschen bestrafen (Verbote, Entzug von Privilegien, Drohungen, Gewalt)
- Festbinden des Fingers
- Tragen eines Handschuhs
- Einreiben mit bitteren Substanzen
Ich wünsche Ihnen Viel Geduld und vor allem Erfolg bei Ihrem Vorhaben.
Hinweis: Manche Experten sehen sogar einen Zusammenhang zwischen frustrierenden Daumen-Abgewöhn-Versuchen und dem Rauchen, welches bei Jugendlichen und Erwachsen als Ersatz zum Einsatz kommt.
Quellen:
http://www.kinder-tipps.com/erziehung/daumenlutschen-abgewoehnen/
https://medlexi.de/Daumenlutschen
https://www.mamiweb.de/familie/daumenlutschen-5-hilfreiche-tipps-zum-abgewoehnen-/1
http://www.psychosoziale-gesundheit.net/bb/06kiju.html
http://www.icd-code.de/icd/code/F98.-.html
https://flexikon.doccheck.com/de/ICD-Schlüssel
https://de.wikisource.org/wiki/Der_Struwwelpeter/Die_Geschichte_vom_Daumenlutscher